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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

22. Juni 2021 – 30 Jahre nach der Grundsteinlegung der IBB Minsk

Vor 30 Jahren fuhren wir mit einem Sonderzug nach Minsk. Über 400 Personen nahmen an der Gedenkreise teil, zusammen  mit Vertretern der Westfälischen Landeskirche und einer Delegation des Landes NRW unter der Leitung von Dr. Herbert Schnoor, dem am 20. Juni 2021 verstorbenen, damaligen Innenminister und gleichzeitig stellvertretenden Ministerpräsidenten des Landes NRW.

Am  Dortmunder Bahnhof trafen sich alle, wo tags zuvor der Sonderzug aus der damaligen Sowjetunion eingetroffen war. Menschen aus Friedens- und Ökologiegruppen hatten sich zusammengefunden, um aus Anlass des 50. Jahrestags des Überfalls auf die ehemalige Sowjetunion ein Zeichen der Verständigung und Versöhnung zu setzen. Zu den zentralen Programmpunkten gehörte die Grundsteinlegung für die zukünftige „Internationale Bildungs- und Begegnungsstätte Minsk“.

Ein Sonderwaggon war dabei, in dem schon während der Fahrt ein breites Programm mit Diskussionen und Musik stattfand. In Brest mussten die Wagons angehoben und andere Fahrgestelle unter die Wagons montiert werden. Am Abend des 21. Juni kamen wir in Minsk an.

Mit ca. 20 Bussen fuhren wir dann am 22. Juni 1991 nach Chatyn, um die bereits im Jahr 1969 errichtete Gedenkstätte kennenzulernen und der Opfer der vernichteten Dörfer und der Konzentrationslager auf belarussischem Boden zu gedenken. Nachmittags ging es direkt zu dem heutigen Grundstück der IBB Minsk, um den Grundstein zu legen für ein Zentrum der Verständigung zwischen Menschen in Belarus und Deutschland, um Begegnungen und Austausch zu ermöglichen, um praktische Projekte der Zusammenarbeit anzustoßen und über die Idee eines gemeinsamen Hauses Europas nachzudenken. Nach der langen Phase der Blockkonfrontation wollten wir einen Beitrag leisten zu einem neuen Europa, das aus unserer Sicht Belarus, die Ukraine und Russland mit einbeziehen würde.

Grundsteinlegung IBB Minsk

Herbert Schnoor, Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, 1991 bei der Grundsteinlegung für die IBB Minsk. Rund 400 Personen waren in einem Sonderzug nach Minsk gereist.

In den kommenden Tagen hatten alle Gruppen ein unterschiedliches Programm, um sich mit verschiedenen Aspekten von Belarus zu befassen. Zu der Delegation des Landes NRW gehörte auch Frau Jutta Schnoor, die Krankenhäuser besuchte und sich mit den Folgen von Tschernobyl befasste. Die Berichte zu Tschernobyl und die Situation in der Kinderklinik beeindruckten Jutta Schnoor so tief, so dass sie sich mit viel Kraft und Leidenschaft für Kinderabteilungen in der Minsker Klinik Nr. 1 einsetzte, die in den Folgejahren mit sachlicher und fachlicher Unterstützung aus Deutschland ausgebaut und erweitert wurde. Im Januar 1995, ein halbes Jahr nach der Eröffnung der IBB Minsk, konnte dann die neue Kinderklinik eröffnet werden.

Zwei Monate nach der Grundsteinlegung kam es in Moskau zum Putsch gegen Gorbatschow und die Sowjetunion zerfiel. Belarus, die Ukraine und Russland wurden eigenständige Staaten. Gerade in Belarus begann eine äußerst komplizierte Phase. Die Wirtschaft brach zusammen und es gab mehrere Jahre eine über 1000-prozentige Inflation. Trotz dieser Widrigkeiten verfolgten die Teilhaber das Projekt IBB Minsk weiter, so dass nach dreijähriger Bauzeit im September 1994 die Eröffnung stattfinden konnte.

Das breite Bündnis aus den Kirchen in NRW und Belarus, dem Land NRW und belarussischen Behörden und den vielen Initiativen aus beiden Ländern haben die IBB Minsk möglich gemacht und die spätere Arbeit maßgeblich mit beeinflusst. Gerade viele der Tschernobyl-Initiativen sahen in der IBB Minsk eine Anlaufstelle und einen Ort für ihre praktische Unterstützung. Bis heute gilt der Grundsatz, den die belarussischen Träger und das IBB Dortmund als deutscher Träger bei der Gründung vereinbart haben: die IBB Minsk ist eine paritätisch geführte Einrichtung mit einer belarussischen und deutschen Leitung.

Juni 2021
Peter Junge-Wentrup