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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

Ausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez“ erinnert an Kölner Lebensretter Klibanksy und weist Wege zur Versöhnung

Ausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez“ erinnert an Kölner Lebensretter Klibanksy und weist Wege zur Versöhnung

Sie erinnert an kaum vorstellbare Gräueltaten von Deutschen auf belarussischem Boden und weist den Weg zur Versöhnung. Die Wanderausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung“ ist seit Mittwoch, 18. Oktober 2017, im NS-Dokumentationszentrum, Appellhofplatz 23-25, in Köln zu sehen. Vor rund 100 Gästen sagte Peter Junge-Wentrup, langjähriger Geschäftsführer des IBB Dortmund: „Heute bin ich sehr optimistisch, dass die Gedenkstätte Trostenez zu einer Brücke der Verständigung wird, wenn wir dies als Zivilgesellschaft wollen und engagiert vorantreiben.“

Dr. Werner Jung begrüßte rund 100 Zuhörerinnen und Zuhörer.

Dr. Werner Jung, Direktor des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln, hatte in seiner Begrüßung betont: „Wir wissen heute über die Deportierten aus der Region sehr viel. Und ich freue mich, dass wir heute erinnern können an die 1164 und alle anderen, die grausam ermordet worden sind.“

Am 20. Juli 1942 hatte sich der Deportationszug am Bahnhof Deutz-Tief in Bewegung gesetzt in Richtung Minsk. 1164 Männer, Frauen und Kinder – unter ihnen auch die Kinder aus dem jüdischen Kinderheim und dem jüdischen Waisenhaus – wurden in Malyj Trostenez, wenige Kilometer südöstlich der Hauptstadt Minsk ermordet. Nicht einer der Deportierten aus Köln überlebte.

In der Region Köln haben Akteure der Erinnerungskultur aus unterschiedlichen Initiativen die Archive durchforstet und unter wissenschaftlicher Begleitung von Dr. Karola Frings die historischen Spuren wie ein Puzzle zusammengesetzt. Entstanden ist ein Gedenkbuch, das vor drei Jahren veröffentlicht werden konnte. „Wir sind stolz, dass wir dieses Gedenkbuch in Minsk anlässlich der Grundsteinlegung für die Gedenkstätte Trostenez überreichen konnten“, sagte Dr. Werner Jung.

Zwei Stelen, speziell zu den Schicksalen der Deportierten aus Köln, konnte der Kölner Trägerkreis der Ausstellung ergänzen. „Wir sind hier zu 200 Personen in der Messehalle“, heißt es in einem dort abgedruckten, handgeschriebenen Brief: „Unser Transport geht morgen … wie es heißt nach Minsk in der Südukraine, um dort in der Landwirtschaft zu arbeiten. Es gibt in Russland zwei verschiedene Orte Minsk. Wir sind alle guten Mutes.“

Einer der Deportierten aus Köln war Dr. Erich Klibanksy, Leiter des jüdischen Reformrealgymnasiums Jawne in Köln. Sein Schicksal wird beispielhaft erzählt als eine von sieben Biografien in der Wanderausstellung. Der weitsichtige Schulleiter brachte fast 130 seiner Schüler nach Großbritannien in Sicherheit. Er selbst, seine Frau Meta und seine drei Kinder fanden in Malyj Trostenez einen grausamen Tod.

Dr. Ursula Reuter, Vorsitzende des Fördervereins des Lern- und Gedenkorts Jawne, leitete ihre Ansprache mit einem Zitat des Holocaust-Überlebenden Rudi Herz ein: „Ich kann mich nur noch erinnern an die Todesstille, die in der Jawne herrschte.“ Am 19. Juli 1942 war die Schule – die damals bereits auf Druck der Nazis nur noch als Sammelunterkunft für jüdische Mitbürger diente – geräumt und plötzlich totenstill. Alle Bewohner waren bereit zum Sammeltransport nach Minsk.

Das Leben von Meta und Erich Klibansky würdigt der Lern- und Gedenkort Jawne mit einer Ausstellung vom 26. Oktober bis 30. April 2018 im Rahmen des Begleitprogramms. Aktivitäten wie diese Ausstellung seien Beiträge, „damit es nicht die Todesstille ist, die bleibt“, sagte Dr. Ursula Reuter, „sondern die Erinnerung an das Leben der Ermordeten.“

Bürgermeister Andreas Wolter richtete den Blick mahnend in die Zukunft: „Wir müssen uns der Erinnerung an die NS-Vernichtungspolitik stellen, das sind wir den Opfern schuldig. Die Ausstellung zeigt uns: Abgrenzung und Überlegenheitswahn führen ins Verderben.“ Die Ausstellung sei besonders wichtig für die Jugend.

Peter Junge-Wentrup, langjähriger Geschäftsführer des IBB Dortmund, erinnerte an den Entstehungsprozess der Ausstellung, die in einer deutsch-belarussischer Kooperation erarbeitet wurde und vom IBB Dortmund, der IBB „Johannes Rau“ Minsk und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas in internationaler Trägerschaft realisiert wurde. Dass sie nun auch in mehr als 20 Städten gezeigt werden kann, sei dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. zu verdanken, der das Projekt gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt unterstützt, berichtete Peter Junge-Wentrup den rund 100 Zuhörerinnen und Zuhörern. Die Ausstellung möchte aber nicht nur einen in Westeuropa wenig bekannten Vernichtungsort in der öffentlichen Wahrnehmung verankern, sondern auch den Weg zu einer gemeinsamen europäischen Erinnerungskultur weisen. Peter Junge-Wentrup berichtete deshalb über die Initiative für eine würdige Gedenkstätte im Wald von Blagowschtschina, die zurzeit bereits Gestalt annimmt. Im kommenden Jahr kann sie offiziell ihrer Bestimmung übergeben werden „im Beisein von hoffentlich vielen Gästen aus Deutschland – auch aus der Region Köln-Bonn“, sagte Peter Junge-Wentrup. „Uns allen ist es ein Anliegen, an den Vernichtungsfeldzug zu erinnern und Wege der Verständigung zu suchen.“

Ein versteckt liegender Gedenkstein erinnert an die Mordstätte Bronnaja Gora. Foto: IBB „Johannes Rau“ Minsk

Gabriel Heim, Publizist und Enkel der Deportierten Marie Winter, erzählte nachdenklich von seiner nur wenige Tage zurückliegenden Reise zur Eröffnung der Wanderausstellung, am 12. Oktober 2017, in Brest an der polnisch-belarussischen Grenze. Die einst jüdische Stadt Brest sei „ein Ort mit einer bewegten, um nicht zu sagen erschütterten Vergangenheit; an der Nahtstelle Jahrhunderte währender europäischer Machtkämpfe.“ Brest hatte 1941/42 unter deutscher Besetzung ein Inferno erlitten.

Die Teilung Europas und der „Eiserne Vorhang“ habe die Aufarbeitung und die gemeinsame Erinnerung lange erschwert, resümierte Heim. „Die damals in der Sowjetunion praktizierte Sicht auf den „Großen Vaterländischen Krieg“ ließ keine Differenzierung nach Opfergruppen zu“, sagte Heim. „Es gab nur eine Chiffre: Den im heldenhaften Kampf gegen den Nazistischen Aggressor gefallenen Sowjet-Menschen.“ In Belarus sei diese Sicht noch vielerorts anzutreffen.

Die „kleine, aber inhaltlich bedeutsame Ausstellung zum Vernichtungsort Malyj Trostenez“ sei ein Wegweiser, sagte Gabriel Heim, der weit über die Ortsbezeichnung hinaus weise. „Denn sie schlägt Brücken: In Hamburg und in Köln – in Minsk und in Brest.“

Begleitprogramm für die Region Köln und Bonn

Bitte beachten Sie auch die Veranstaltungen des Begleit- programms.

Eingebettet ist die Wanderausstellung in ein vielfältiges Begleitprogramm, das von vielen Initiativen aus der Region getragen wird. So hat die Gedenkstätte für die Bonner Opfer des Nationalsozialismus e. V. am Donnerstag, 19. Oktober, eine kleine Ausstellung zu Deportierten aus Bonn eröffnet. Am 8. November 2017 wird mit Kurt Marx ein Holocaust-Überlebender erwartet, der durch Erich Klibansky nach Großbritannien verschickt und damit gerettet worden war. Am Dienstag, 28. November 2017, berichtet Historiker Dr. Alexander Dalhouski über die Geschichte der Wahrnehmung des Vernichtungsortes Malyj Trostenez.

Alle Veranstaltungen des Begleitprogramms finden Sie hier.

Die Öffnungszeiten in Köln:

Dienstag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr.

Samstag, Sonntag und Feiertag von 11 bis 18 Uhr.

Jeden ersten Donnerstag im Monat (außer Feiertag) bis 22 Uhr.

Träger der Ausstellung sind:

Das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk gGmbH (IBB Dortmund),
die Internationale Bildungs- und Begegnungsstätte „Johannes Rau“ Minsk (IBB Minsk) und
die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas.

Die Ausstellung wird gefördert durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. und das Auswärtige Amt.

Der Katalog zur Ausstellung kann bei uns bestellt werden (Schutzgebühr 10 Euro).

Die Ausstellung in Köln fand auch bereits ein lebhaftes Medienecho: 

Der Kölner Stadt-Anzeiger berichtet am 19. Oktober 2017.

Die Kölnische Rundschau berichtet am 19. Oktober 2017 über die Ausstellung.

Die Kölner Internet-Zeitung report.k berichtet am 19. Oktober 2017 über die Ausstellung. 

Der Bonner Generalanzeiger berichtet am 21. Oktober 2017 über die begleitende Ausstellung in Bonn.

Einen aktuellen deutschsprachigen Radiobeitrag in der Reihe „Zeitzeichen“ über den Vernichtungsort Malyj Trostenez finden Sie hier.

Weitere Informationen über die Wanderausstellung und die Initiative für eine würdige Gedenkstätte Trostenez finden Sie hier.

Fotos: IBB Dortmund – Mechthild vom Büchel