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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

Bundespräsident van der Bellen eröffnet Wanderausstellung „Vernichtungort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung“ am Heldenplatz in Wien

Bundespräsident van der Bellen eröffnet Wanderausstellung „Vernichtungort  Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung“ am Heldenplatz in Wien

Im ebenso prachtvollen wie geschichtsträchtigen Ambiente der Neuen Burg am Heldenplatz in Wien – direkt hinter der Tür zum so genannten „Hitler-Balkon“ – hat der österreichische Bundespräsident Alexander van der Bellen am Donnerstagabend (13. Juni 2019) die Wanderausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung“ eröffnet.

„Wer nach Maly Trostenez gebracht wurde, kam nicht zurück“,

charakterisierte er den auch in Österreich wenig bekannten Ort, an dem über 10.000 Jüdinnen und Juden aus Wien ermordet wurden. „Wir können dies nicht ungeschehen machen. Wir können nur unsere Stimme erheben und die Ermordeten in unser gemeinsames Gedächtnis zurück holen“, sagte der österreichische Bundespräsident in seiner Rede vor etwa 100 geladenen Gästen am historischen Ort  – unter ihnen auch mehrere Angehörige von in Malyj Trostenez ermordeten Juden. Teilweise hatten sie weite Anreisen in Kauf genommen – sogar aus dem fernen Australien -, um an der feierlichen Eröffnung der Ausstellung teilnehmen zu können.

Bundespräsident Alexander van der Bellen hat die Ausstellung "Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung" im Haus der Geschichte Österreichs eröffnet. Foto: eSeL

Bundespräsident Alexander van der Bellen hat die Ausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung“ im Haus der Geschichte Österreichs eröffnet. Foto: eSeL

Malyj Trostenez ist nach Auschwitz-Birkenau der Ort, an dem die meisten österreichischen Opfer der Shoah ermordet wurden. Über 10.000 der insgesamt etwa 45.000 aus Wien deportierten jüdischen Österreicher wurden direkt oder über das KZ Theresienstadt nach Malyj Trostenez in der Nähe von Minsk gebracht. Nur etwa 20 überlebten den systematischen Massenmord der deutschen Besatzer in Belarus.

„Es ist uns wichtig, an diesen innerhalb Österreichs kaum bekannten Vernichtungsort zu erinnern, denn er ist Teil unserer Geschichte“,

sagte Monika Sommer, Direktorin des Hauses der Geschichte Österreich. Die Wanderausstellung wurde deshalb eigens um Informationen über das Schicksal der jüdischen Österreicher ergänzt. Das Haus der Geschichte Österreich hatte die ergänzenden Ausstellungsmodule in Kooperation mit dem Vienna Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI), dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) und weiteren Institutionen erarbeitet.

Zwei Stelen und mehrere Vitrinen zeichnen mit Fotos und historischen Dokumenten das Schicksal der österreichischen Opfer nach. Von Oktober 1941 bis Oktober 1942 wurden fast wöchentlich 1000 Personen aus Wien deportiert. Insgesamt 45 Transporte brachten mehr als 45.000 Menschen in Ghettos, Konzentrationslager und unter anderem auch nach Minsk. Genau neun Transporte waren es, die zwischen Mai und Oktober 1942 rund 10.000 Menschen aus Wien direkt nach Malyj Trostenez brachten, jenen abgelegenen Ort nahe dem Wäldchen Blagowschtschina außerhalb der Stadt Minsk, der den Behörden geeignet schien für die Massenmorde mit Gewehren und später Gaswagen.

Impressionen von der Ausstellungseröffnung.

Eigens für die Ausstellung recherchiert wurde das Schicksal jüdischer Kinder, die zunächst von ihren Eltern getrennt und in Kinderheime gebracht wurden, um später in speziellen Kindertransporten nach Malyj Trostenez deportiert zu werden. Eine weitere ergänzende Vitrine setzt sich mit österreichischen Tätern auseinander, die an den Deportationen und Vernichtungsaktionen in Malyj Trostenez beteiligt waren – und nach dem Krieg einer juristischen Aufarbeitung weitgehend entgingen. Die neuen Ausstellungsteile ergänzen den Kern der Wanderausstellung, die nicht nur die Geschichte des Ortes erzählt und den Umgang mit den Verbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg schildert, sondern mit sieben beispielhaften Biografien an die verschiedenen Opfergruppen aus Belarus, Deutschland, Österreich und Tschechien erinnert.

Matthias C. Tümpel, Vorsitzender des IBB e.V., am Rednerpult bei der Eröffnung der Wanderausstellung "Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung" in Wien.

Matthias C. Tümpel, Vorsitzender des IBB e.V., berichtete über die Motive des IBB, die Geschichte dieses Vernichtungsortes bekannter zu machen. Foto: eSeL

Der in Westeuropa immer noch wenig bekannte Vernichtungsort Malyj Trostenez sei „eine offene Wunde“ in der gemeinsamen Erinnerungskultur der durch diesen Ort schicksalhaft verbundenen Länder, sagte Matthias C. Tümpel, Vorsitzender des Internationalen Bildungs- und Begegnungswerks  e.V. in Dortmund, das den Anstoß zur Wanderausstellung gegeben hatte. Er erinnerte an die Motive des IBB, die Erinnerung an die Schicksale der Opfer wachzuhalten und die Impulse zur lokalen Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte, die die Ausstellung gegeben hat.

Dem Aufruf, durch grenzüberschreitendes Erinnern an lange vergessenen Vernichtungsorte die Grundlagen für die gemeinsame Zukunftsgestaltung in Europa zu legen, schlossen sich auch die Botschafterin der Republik Belarus in Österreich Alena Kupchyna, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinden Oskar Deutsch und der Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas Uwe Neumärker in ihren Eröffnungsreden an. Die  Vorsitzende des Vereins IM-MER (Initiative Malvine – Maly Trostinec erinnern) Waltraud Barton wünschte sich eine über die temporäre Wanderausstellung hinausgehende Erinnerung und regte die Gründung eines Holocaust-Museums in Wien an.

Etwa 100 geladene Gäste nahmen im Haus der Geschichte Österreich an der Ausstellungseröffnung teil. Foto: eSeL

Etwa 100 geladene Gäste nahmen im Haus der Geschichte Österreich an der Ausstellungseröffnung teil. Foto: eSeL

Im Mittelpunkt der Ansprachen stand auch der lange Weg, der hinter allen Initiatoren einer würdigen Erinnerung an den Vernichtungsort Malyj Trostenez liegt. Bundespräsident van der Bellen ging in seiner Ansprache insbesondere auf das Denkmal „Massiv der Namen“ ein, das im März 2019 zum Gedenken an die ermordeten österreichischen Juden eingeweiht worden war. Den Grundstein hierfür hatte Alexander van der Bellen selbst bei seinem Besuch in Belarus anlässlich der Eröffnung des zweiten Gedenkstättenabschnitts im Wald von Blagowtschtschina im Juni 2018 mit einer Baumpflanzung  gelegt. Ein Modell des Mahnmals „Massiv der Namen“ kann ebenfalls im Österreich-Teil der Trostenez-Ausstellung besichtigt werden. Es soll später in die Dauerausstellung im Haus der Geschichte Österreich integriert werden.

Der österreichische Bundespräsident Alexander van der Bellen verschaffte sich einen Einruck von der Ausstellung "Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung". Foto: eSeL

Der österreichische Bundespräsident Alexander van der Bellen verschaffte sich einen Einruck von der Ausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung“. Foto: eSeL – Lorenz Seidler

Besondere Aktualität gewann die Ausstellungseröffnung zur Erinnerung an den Vernichtungsort Malyj Trostenez dadurch, dass erst wenige Tage zuvor im öffentlichen Raum in Wien ausgestellte Portraits von Holocaust-Überlebenden – Teile der  Ausstellung „Gegen das Vergessen“ von Luigi Toscano – mit Hakenkreuzen beschmiert und beschädigt worden waren. Dies zeige, so Bundespräsident van der Bellen, „dass wir noch einen weiten – gemeinsamen – Weg des Widerstandes gegen den Hass und gegen den Antisemitismus zu beschreiten haben“.

Es gebe jedoch auch Hoffnung: So hatten sich spontan Freiwillige bereit erklärt, die Kunstwerke ehrenamtlich zu bewachen – unter ihnen auch Muslime.

 

 

 

Impressionen von der Ausstellung in Wien:

Der örtliche Trägerkreis organisiert ein Begleitprogramm zur Ausstellung.

Kooperationspartner in Wien sind:

Das Begleitprogramm zur Ausstellung in Wien (pdf).

Haus der Geschichte Österreich
VWI Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien
DÖW Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde Wien
IM-MER. Maly Trostinec erinnern
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Universität Wien, Institut für Zeitgeschichte

Wissenschaftliches Team des Österreich-Teils der Ausstellung:
René Bienert (VWI Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien)
Sandro Fasching (VWI Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien)
Dieter Hecht (Österreichische Akademie der Wissenschaften)
Georg Hoffmann (Haus der Geschichte Österreich)
Michaela Raggam-Blesch (Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien)
Heidemarie Uhl (Österreichische Akademie der Wissenschaften)
Marianne Windsperger (VWI Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien)

Träger der Ausstellung sind:

Die Ausstellung wird gefördert durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. und das Auswärtige Amt.

Alle Fotos: eSeL.at – Lorenz Seidler.

Die zweisprachige Wanderausstellung (deutsch/ russisch) wurde am 8. November 2016 erstmals in Hamburg eröffnet.

Unseren Bericht über die erste Eröffnung der Wanderausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung“ in Belarus finden Sie hier.

Die Medien in Österreich haben ausführlich über die Ausstellung berichtet (Auswahl):

Der Österreichische Rundfunk (Radio) berichtet am 14. Juni 2019 um 12.42 Uhr.

Salzburger Nachrichten am 14. Juni 2019

Der Österreichische Rundfunk (TV) am 16. Juni 2019

Weitere Informationen über die Initiative für eine würdige Gedenkstätte Trostenez finden Sie hier.