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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

Das IBB trauert um eine langjährige Mitarbeiterin, Freundin und Weggefährtin: Dr. Isolde Baumgärtner ist tot

Aufmerksam, offen und zugewandt – Isolde Baumgärtner hat Brücken der Verständigung gebaut.

Das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk Dortmund trauert um eine langjährige Mitarbeiterin, Freundin und Wegbegleiterin. Dr. Isolde Baumgärtner ist am 10. Mai 2019 gestorben.

Dr. Isolde Baumgärtner hat in Köln Slawistik und russische Literatur studiert und später auch im Rahmen eines Lehrauftrages dort unterrichtet.

Schon Anfang der 1990er Jahre hat Isolde Studiengruppen nach Belarus und Russland begleitet und versucht, diese Länder, ihre Menschen und die Gesellschaften den Reisenden nahe zu bringen. Ihre profunden Kenntnisse und ihre offene, kommunikative Art haben vielen ermöglicht, einen Bezug zu den Menschen zu entwickeln und Brücken der Verständigung zu bauen. Isolde konnte anderen zuhören, integrieren und ermutigen.

Für Isolde stand der einzelne Mensch im Mittelpunkt und sie  hatte die große Gabe, in offenen Dialogen mehr von den Menschen, ihrer persönlichen Geschichte und ihrem Land zu erfahren; in kurzer Zeit entstanden so Vertrauen und gegenseitige Achtung. Sie hat viele Freundschaften zu Menschen in den osteuropäischen Ländern entwickelt, die sie  trotz der weiten Entfernung pflegte und vertiefte. Für sie stand der einzelne Mensch immer im Mittelpunkt.

Isolde war seit Anfang der 1990er Jahre Mitglied im IBB Dortmund und hat sich an vielen internen Debatten beteiligt ebenso wie an der praktischen Arbeit; sie teilte die Überzeugung, dass man als Einzelner auch für Veränderungen eintreten und erfolgreich sein kann.

Das Ausmaß der Katastrophe von Tschernobyl wurde Anfang der 1990er Jahre bekannt und ihr war schnell klar, dass praktische Hilfe von zivilgesellschaftlichen Partnern aus dem Westen notwendig ist. Isolde Baumgärtner hat das Netzwerk der Tschernobyl-Initiativen unterstützt und die IBB -Partnerschaftskonferenzen mit vorbereitet und geleitet. Vor dem 25. Jahrestag von Tschernobyl entstand die Idee, hierzu die Ausstellung „25 Jahre Tschernobyl: Menschen, Orte und Solidarität“ zu entwickeln. Isolde war an der Leitung beteiligt und hat das Buch „Tschernobyl und die europäische Solidaritätsbewegung“ geschrieben. Im Netzwerk der europäischen Tschernobyl-Initiativen hat sie sich weiter stark engagiert.

Kann es vor dem Hintergrund der Katastrophe von Tschernobyl nicht nur die zivilgesellschaftliche humanitäre Hilfe geben, sondern auch eine staatliche Unterstützung? Ausgehend von dieser Frage ist 2001 das Förderprogramm Belarus entstanden und viele Projekte konnten seither gefördert und erfolgreich umgesetzt werden. Isolde hat an vielen Stellen mitgeholfen, dieses Programm mit Leben zu füllen und wissenschaftlich zu begleiten.

Das Deckblatt der Festschrift zum 20-jährigen Bestehen der IBB „Johannes Rau“ Minsk.

Im Jahr 2014 war die IBB Minsk schon 20 Jahre alt und so war es nur folgerichtig, Isolde Baumgärtner zu bitten, die Geschichte der IBB „Johannes Rau“ Minsk zu schreiben. Es ist eine Broschüre entstanden mit vielen Beiträgen von Menschen, die sich im Verständigungsprozess zwischen Deutschland und Belarus  engagiert haben. Die Erinnerung an die deutschen Verbrechen in den Jahren 1941–44, die Begegnungen und die Zusammenarbeit auf partnerschaftlicher Ebene bildeten in ihrem Engagement eine Einheit und waren deshalb besonders glaubwürdig.

Die letzte große Konferenz, die wir gemeinsam gestalten konnten, fand in Warschau im Oktober 2016 statt mit Beteiligung junger HistorikerInnen und JournalistInnen aus Russland, Belarus, der Ukraine, Polen und Deutschland. Kann die Erinnerung an den Vernichtungskrieg 1941 – 44 dazu beitragen, dass eine europaweite Erinnerungskultur entsteht und eine europaweite Verständigung möglich wird? Die KonferenzteilnehmerInnen konnten sich in einer großen Offenheit austauschen und verständigen. Europäische Verständigung, Begegnungen und partnerschaftliche Zusammenarbeit waren für Isolde auch immer praktische Friedensarbeit.  Sie konnte diese Friedensarbeit auch mit ihrem künstlerischen Leben verbinden; hierzu ein Vers aus ihrem Buch mit dem Titel „Rafael“, das 2018 erschienen ist:

Mann mit Goldbart

Auf dem Kissen,
zugewandt unsere Gesichter,
berührt noch am Rande
vom warmen Licht der Nachtischlampe,
seh´ ich dein Grübchenlächeln,
die entfaltete Stirn,
die kurzsichtig entwaffneten Augen,
in strahlendem Türkis.

Dein schönes, nacktes Gesicht
leuchtet auf meinem Kissen weiter,
nachdem ich das Licht löschte.

Weitere Gedichte von ihr und andere Veröffentlichungen, auch von anderen Autoren, die das weitreichende Feld ihres Engagements zeigen, finden sich auf der Website www.mnemosina.de des von ihr mitbegründeten Kulturvereins Mnemosina e. V. Köln.

Mai, 2019
Peter Junge-Wentrup
IBB g. GmbH Geschäftsführer a. D.