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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

Das IBB trauert um seine langjährige Wegbegleiterin Ljuba Abramowitsch

Das IBB trauert um seine langjährige Wegbegleiterin Ljuba Abramowitsch

Das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk trauert um eine Wegbegleiterin der ersten Stunde: Ljuba Abramowitsch, geboren am 23. Mai 1920 in Slonim, ist am Samstag, 9. März 2019, im hohen Alter von 98 Jahren in New York verstorben.

Ljuba Abramowitsch war 1996 mit ihrem Mann nach New York ausgewandert. Dieses Foto zeigt sie in einem Garten vor einer Sonnenblume stehend. Foto: privat

Ljuba Abramowitsch war 1996 mit ihrem Mann nach New York ausgewandert. Foto: privat

Geboren wurde Ljuba Abramowitsch in Slonim, einer Stadt, die damals zu Polen gehörte und heute – seit 1939 – zu Belarus. Ihre Eltern hatten einen Lebensmittelladen in der „Breiten Straße“ nahe der Hauptsynagoge, ihr Mann war Arzt. Am 17. September 1941 werden in Belarus in einer ersten Aktion 1200 jüdische Männer durch die deutschen Besatzer erschossen. Unter ihnen ist auch Ljubas Ehemann. Am 14. November des gleichen Jahres findet sie auf der Treppe ihres Hauses nur noch die Pantoffeln ihres Kindes.

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In der Publikation „Die Leere in Slonim“ hat die IBB gGmbH die Erinnerungen der Zeitzeugin festgehalten.

Ljuba Abramowitsch wird Mitglied der Partisanenbrigade Nr. 51 „Schtschortz“. Als Pionierin sprengt sie einige Eisenbahnzüge der Wehrmacht, erlebt und überlebt die Kämpfe in den Wäldern und Sümpfen und wird als „Heldin“ geehrt. Ihre Erinnerungen hat das IBB in der Publikation „Die Leere in Slonim“ festgehalten.

1945 heiratet sie den Juraprofessor Benjamin Melzer, der der erste Vorsitzende der jüdischen Gemeinschaften in Belarus wird. Ljuba Abramowitsch studiert Sprachen und übersetzt ausländische Literatur in einer Minsker Fabrik.

1969 sagt sie im Hamburger Prozess gegen den deutschen Gebietskommissar Erren als Kronzeugin aus, der im besetzten Belarus ein Schreckensregiment ausübt. Ljuba Abramowitsch hatte mehrfach Misshandlungen mit eigenen Augen verfolgt und berichtet später in deutschen Schulen und Kirchengemeinden aus ihren Erinnerungen. Als Zeitzeugin reist sie unter anderem nach Hannover, Hamburg, Iserlohn, Münster, Siegen und Wilnsdorf.

Dieses Foto zeigt die Zeitzeugin Ljuba Abramowitsch im Gespräch mit Manfred Zabel vom IBB.

Ljuba Abramowitsch im Gespräch mit Manfred Zabel, mit dem sie und ihr Mann enge freundschaftliche Kontakte pflegten.

Ljuba Abramowitsch und Benjamin Melzer gehörten zu den ersten Unterstützern des IBB in Belarus, die viele Meilensteine in der Arbeit wohlwollend und engagiert begleitet haben. So nahmen sie an der Eröffnung der IBB Minsk 1994 teil und führten erste Reisegruppen „auf jüdischen Spuren“ durch Belarus. Dank der Verbindungen von Ljuba Abramowitsch gelang es, das letzte erhaltene Gebäude des früheren jüdischen Ghettos Minsk für die Arbeit der Geschichtswerkstatt zu erhalten.

1996 entschlossen sich Ljuba Abramowitsch und Benjamin Melzer zur Auswanderung nach New York. In Brooklyn fanden sie eine neue Heimat. 1997 zündete Ljuba Abramowitsch eine der Kerzen der Menorah im jüdischen Museum in New York an, als der 27. Januar zum internationalen Holocaust-Gedenktag erklärt wurde.

Am Samstag, 9. März 2019, erlag Ljuba Abramowitsch ihrer Krankheit in ihrer Wohnung in Brooklyn.

Das IBB wird Ljuba Abramowitsch als eine der bedeutenden Frauen des jüdischen Widerstandes und der Erinnerungs- und Versöhnungsarbeit zwischen Belarussen und Deutschen in Erinnerung bewahren.

Unser Foto oben zeigt sie bei einer Skype-Brücke in die Geschichtswerkstatt Minsk im Juni 2012. Foto: IBB „Johannes Rau“ Minsk.