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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

Deutscher Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Gast in der IBB „Johannes Rau“ Minsk

Deutscher Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Gast in der IBB „Johannes Rau“ Minsk

Beim ersten Besuch eines deutschen Staatsoberhaupts in Belarus machte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Freitag, 29. Juni 2018, auch einen Abstecher in die IBB „Johannes Rau“ Minsk und nahm sich Zeit für eine Podiumsdiskussion mit jungen Historikerinnen und Historikern. Zuvor hatte er am Vormittag gemeinsam mit dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko und dem österreichischen Bundespräsidenten Alexander van der Bellen sowie Vertretern aus Polen und Tschechien in einer Feierstunde den zweiten Bauabschnitt des Erinnerungsortes Trostenez im Wald von Blagowschtschina eröffnet.

Neben Akteuren der Erinnerungskultur aus mehreren Ländern waren auch Bundestagsabgeordnete und hochrangige Vertreter von Kirchen und Religionsgemeinschaften im Publikum.

Vor mehr als 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der Konferenz „Erinnern für eine gemeinsame europäische Zukunft“ in der IBB „Johannes Rau“ Minsk unterstrich der deutsche Bundespräsident die Bedeutung von internationalen Jugendbegegnungen, Gedenkstättenfahrten und Workcamps für eine gemeinsame Zukunft in Europa und sprach sich für eine Aufwertung und Ausweitung dieser Angebote aus:

„Ich kann nur allen jungen Menschen empfehlen, Begegnungsprogramme, wie sie der Volksbund und die Aktion Sühnezeichen anbieten, wahrzunehmen, weil sie vielleicht ein ganzes Lebens prägen.“

In der Podiumsdiskussion, moderiert von Dr. Heike Dörrenbächer vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. und Dr. Astrid Sahm, Geschäftsführerin des IBB Dortmund, stellten vier junge Historikerinnen und Historiker die Ergebnisse ihres internationalen Workshops am Donnerstag, 28. Juni 2018, vor: Dr. Alexander Dalhouski aus Belarus, Dr. Viktoria Naumenko aus der Ukraine, Dmitry Alekseev aus Russland und Hannah Drasnin aus Deutschland berichteten über ihre Pläne zur zukünftigen Geschichtsvermittlung und auch was ihr Geschichtsinteresse geweckt hatte: Neben einem Blick auf die eigene Familiengeschichte hatte ihnen auch die Begegnung mit Zeitzeugen entscheidende Impulse gegeben.

„Zeitzeugengespräche sind durch nichts zu ersetzen“,

bestätigte auch Bundespräsident Steinmeier. Museen, Gedenkstätten und andere Lernorte der Erinnerung in Deutschland hätten ihre didaktischen und medialen Ansätze zur Vermittlung geschichtlichen Wissens permanent weiterentwickelt. Und auch bei Geschichtswettbewerben, für die der Bundespräsident die Schirmherrschaft übernimmt, würden immer häufiger nicht mehr nur Texte eingereicht, sondern vermehrt auch technikbasierte Darstellungsformen wie selbst programmierte Apps. Es sei wichtig, einen Zugang zu jungen Menschen zu finden, der emotional berührt. Denn auf dem Weg zu einer gemeinsamen europäischen Erinnerungskultur beobachte er teilweise rückläufige Prozesse, einen Rückfall in nationale Identitätskultur und Geschichtspolitik.

Nach gut einer Stunde musste der Bundespräsident die IBB „Johannes Rau“ zum nächsten Termin verlassen. Seine Zuhörer, unter ihnen viele Zeitzeuginnen und Zeitzeugen wie der gebürtige Kölner Kurt Marx und Frida Raisman, Vorsitzende des Verbandes der Holocaust-Überlebenden in Minsk, fühlten sich bestärkt in ihrem Engagement für die Einbeziehung des Vernichtungsortes Trostenez in die europäische Erinnerungskultur und verabschiedeten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit lange anhaltendem Applaus.

Anlass für den Besuch des Bundespräsidenten in Belarus war die Eröffnung des zweiten Bauabschnitts des Erinnerungsortes Trostenez am späten Vormittag. Im Wald von Blagowschtschina verfolgten mehrere viele hundert Gäste eine stimmungsvolle Eröffnungszeremonie. „Hier ruht auch die Asche belarussischer Zivilbevölkerung, Untergrundkämpfer und sowjetischer Kriegsgefangener“, sagte Präsident Lukaschenko. „Unsere Architekten haben es geschafft, diese dünne Grenze zwischen Leben und Tod im Mahnmal wiederzugeben, die Grenze, hinter der ein lebendiger Mensch zu einer Handvoll Asche wurde.“

Dieses Foto - genaugenommen ein Screenshot - zeigt das Startbild des Videos wie es auf der offiziellen Website der belarussischen Regierung zu sehen ist.

Auf der offiziellen Seite der belarussischen Regierung finden Sie ein Video der Eröffnungszeremonie. Foto: Screenshot der Website

Das Mahnmal des Architekten Leonid Lewin vermittelt mit fünf stilisierten Eisenbahnwaggons den letzten Weg der überwiegend jüdischen Opfer zum Erschießungsplatz. Weitläufige Grabfelder symbolisieren die 34 Massengräber am authentischen Ort.

„Der Schritt wird schwer und schwerer, je näher man diesem Ort kommt. Das Wissen um das, was an diesem Ort geschehen ist, wird zur tonnenschweren Last“,

eröffnete der deutsche Bundespräsident seine Ansprache. Er erinnerte auch an das Leid der belarussischen Bevölkerung. Durch den deutschen Vernichtungskrieg wurden mehr als 600 Dörfer ausgelöscht, mehr als jeder vierte Belarusse starb.

„Dieser Ort, Malyj Trostenez, ist ein Schreckensort in dieser belarussischen Geschichte. Aber er steht heute auch für ein gemeinsames Erinnern. Dieser Gedenkort, ebenso wie die gemeinsame Geschichtswerkstatt in Minsk ist das Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen von belarussischen und deutschen Historikern und von zivilgesellschaftlichen Gruppen, wie dem Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk in Belarus und in Deutschland. Ohne die Bereitschaft Weißrusslands zur Versöhnung wäre diese Zusammenarbeit undenkbar.“

Der österreichische Präsident van der Bellen erinnerte an die mehr als 10.000 Juden, die aus Wien nach Minsk deportiert und in Trostenez ermordet worden waren. Er unterstrich auch Österreichs Mitverantwortung an den Verbrechen des Nationalsozialismus.

Die künstlerisch gestalteten Koffer am Platz der Hoffnung lassen die Situation bei der Ankunft der Deportierten erahnen. Das Mahnmal „Der Weg des Todes“ führt durch stilisierte Eisenbahnwaggons über eine Strecke von etwa 800 Metern zu 34 Massengräbern. Foto: Mechthild vom Büchel

Der neu gestaltete Erinnerungsort soll auch ein europäischer Lernort werden.

„Wenn wir uns auch fortan, ohne die Hilfe von Zeitzeugen, daran erinnern wollen, warum uns dieses auf Menschlichkeit gegründete Europa so wichtig ist, müssen wir seine Geschichte lehren und lernen und sie jeder Generation neu vermitteln“,

sagte Steinmeier. Der belarussische Präsident hatte zuvor die belarussische Bevölkerung aufgerufen, ein elektronisches Gedenkbuch zu unterstützen. Er signalisierte zudem eine Bereitschaft zum Dialog: Belarus sei überzeugt, „dass es notwendig ist, einen neuen breit angelegten internationalen Dialog zu starten, der auf die Überwindung aller Widersprüche angelegt ist.“

Nach den Ansprachen legten die Regierungschefs gemeinsam Blumen am Gedenkstein für die Ermordeten aus dem Wald von Blagowschtschina nieder.

Die Rede des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier finden Sie zum Nachlesen hier.

Die Rede des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko finden Sie (in Kürze) hier. (Eine Zusammenfassung der Rede des belarussischen Präsidenten finden Sie hier.)

Die Rede des österreichischen Präsidenten Alexander van der Bellen finden Sie (in Kürze) hier. (Eine Zusammenfassung der Rede des österreichischen Präsidenten finden Sie hier.)

Die Rede von Wolfgang Schneiderhan, Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., finden Sie hier.

Einen Radio-Beitrag im Deutschland-Radio finden Sie (zum Lesen und Nachhören) hier.

Die deutsche Tagesschau hat über die Eröffnung des zweiten Bauabschnitts berichtet (der Beitrag beginnt bei Minute 12:25).

Eine (noch wachsende) Sammlung von Medienberichten über die feierliche Eröffnungsveranstaltung finden Sie hier.

Weitere Informationen über die Initiative des IBB Dortmund für die Gedenklandschaft Trostenez finden Sie auch hier.