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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

Europakolumne 6: Was bewegen

Europakolumne 6: Was bewegen

Eigentlich wollte er nur den nordrheinwestfälischen Landtag besuchen. Jetzt weiß Fabio Decker, wie es sich anfühlen kann, wenn man eine politische Person wird.

Fabio kommt aus Holzwickede und macht gerade eine Ausbildung zum Maler und Lackierer. Er ist 20 Jahre alt, skatet gerne und hat gerade erst sein Interesse für Politik entdeckt.

Angefangen hat das alles, seitdem er an Workcamps des Internationalen Bildungs- und Begegnungswerkes (IBB) im Rahmen von internationalen Jugendbegegnungen teilgenommen hat. Der Auslöser für sein Interesse waren ein Besuch des Landtags und vor allem die Vorbereitungen dazu. Als sein Sozialarbeiter ihn fragt, ob er nicht Lust hätte, sich zu engagieren, war sein erster Gedanke: „Warum ich?“ Fabio sagt: „Anfangs ist es schwer, weil du erstmal deinen Faden finden musst. Ich hätte aussteigen können und wollte auch erst aussteigen. Aber dann dachte ich: Auf Landesebene und europäischer Ebene, da könnteste vielleicht schon was bewegen.“

Fabio mit anderen Teilnehmer*innen im Landtag.

Probleme in Deutschland ansprechen

In Workshops bereitet er mit anderen Teilnehmern in Kleingruppen den Besuch im Landtag anhand von Themenblöcken vor. Eine Gruppe legt den Schwerpunkt auf Europäische Union, andere schauen sich die Außenpolitik oder den Aspekt Umweltpolitik an. Im Landtag stellen sie die erarbeiteten Konzepte Abgeordneten vor. Fabio übernimmt mit seiner Gruppe den Block Bildung. Sie versuchen, das Bildungssystem in der Theorie umzugestalten. Fabio sagt: „Das Endprodukt sollte zeigen, wie wir das Bildungssystem gerne hätten. Wir haben dabei versucht, unsere Probleme in Deutschland anzusprechen. Es ging auch um die Frage, wie man Jugendliche mehr an Politik bringen und wie man Stimmen, die nicht gehört werden, eine Chance geben kann.“

Sachen googeln und Artikel lesen

Im Vorfeld besuchen die Jugendlichen dazu vorbereitende Seminare und proben die Abläufe. Sie verbringen insgesamt fünf Wochenenden zusammen. Sie gehen die Menschenrechte durch, klären inhaltliche Fragen, tauschen Ansichten aus, führen Diskussionen. „Die Teamer haben echt versucht, das kleinste Interesse aus einem rauszukitzeln. In der Jugendherberge haben wir im Bett nachts noch Sachen nachgegoogelt und Artikel gelesen“, erinnert sich Fabio. „Ich würde anderen raten, mal im Web zu recherchieren, welche Organisationen es in ihrer Gegend gibt, die solche Programme anbieten.“ Neben seinem Interesse für Politik hat er dabei auch neue Freunde gefunden. Fabio erklärt: „Es stimmt nicht, was viele Leute sagen, dass junge Leute sich nicht oder nicht mehr für Politik interessieren. Es gibt junge Menschen, die sich für Politik interessieren. Ihre Stimmen werden nur wenig repräsentiert.“

Angst vor einem Krieg

pimpmyeurope_StudioNach seinen Hoffnungen und Ängsten für Europa gefragt, antwortet Fabio: „Ich habe Angst, dass ich mit Konsequenzen leben muss, die meine Vorgänger produzieren, dass Europa irgendwann zerbricht und dass es zu einem Krieg kommt.“ Fabio erklärt: „Es gibt reiche, es gibt arme Länder. Das ist ja schon irgendwie unfair.“ Er könnte sich vorstellen, dass es helfen würde, wenn jeder eine Art Grundeinkommen bekommt. Ob er selbst ohne Europa in Deutschland wäre, weiß Fabio nicht. Seine Eltern sind in der Hoffnung auf ein besseres Leben aus Portugal hierhin gezogen. Generell rät er daher, sich anzuschauen wie andere Menschen leben. Er findet, Europa könnte vom Ruhrgebiet lernen, hilfsbereiter zu sein: „Wie können wir in den einzelnen Ländern so unterschiedliche Level in der Wirtschaft und den Bildungssystemen haben, wenn wir ein Europa sind?“ Fabio schlägt vor, das Konzept von Europa zu überdenken: „Um eine wirkliche Gemeinschaft zu werden, müssen wir jedes Land mitnehmen. Vielleicht brauchen wir dafür eine europäische Verfassung.“

Chantal Stauder