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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

Fortbildung des IBB Dortmund am Lern- und Gedenkort Auschwitz

Fortbildung des IBB Dortmund am Lern- und Gedenkort Auschwitz

Einen differenzierten Einblick in das hochkomplexe System Auschwitz-Birkenau als Symbol des Holocaust zu geben, war das Ziel der IBB-Fachtagung für Lehrkräfte und Akteure der Jugendarbeit vom 28. September bis 3. Oktober 2017 in Polen.

„Unsere 18 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben alle einen sehr unterschiedlichen Hintergrund mitgebracht und allein der Erfahrungsaustausch förderte schon eine breitgefächerte Vielfalt an Ideen zutage“, berichtete Referentin Susanne Wycisk, die die Weiterbildung organisiert hatte. Lehrkräfte von Gymnasien, Gesamtschulen und einer Förderschule trafen auf Mitarbeitende der außerschulischen Jugendarbeit in kirchlichen Einrichtungen, NS-Gedenkstätten und der Lehrkräfteweiterbildung. Die wenigsten hatten den Lernort Auschwitz zuvor schon einmal selbst besucht. Diejenigen, die die weitläufige Gedenkstätte schon kannten, konnten den anderen berichten von der didaktisch anspruchsvollen Arbeit mit schwer erziehbaren und lernschwachen Schülerinnen und Schülern am historischen Ort.

Teresa Miłoń-Czepiec, freie pädagogische Mitarbeiterin des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, führte kenntnisreich durch die weitläufige Gedenkstätte und erläuterte anschaulich wie die Führungen auf Jugendgruppen wirken und welche Fragen sie beschäftigen.

Wie kann man Jugendlichen die Ereignisse in Auschwitz vor rund 75 Jahren einfühlsam näherbringen? Welche Fragestellungen lassen sich an dem Symbolort des Holocaust bearbeiten und beantworten? Welche Orte bieten sich für ein forschendes Lernen an?

Diese Fragen stellten sich auch den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Studienfahrt. Die eigenen Erfahrungen am historischen Ort der Massenvernichtung sollten für künftige Gedenkstättenfahrten mit Jugendlichen sensibilisieren und Ideen für eigene Schwerpunktsetzungen und Vertiefungen liefern.

Roland Vossebrecker vom Bildungswerk Stanislaw Hantz, der als Fachreferent der Tagung  ein umfängliches und detailliertes Fachwissen einbrachte,  war es wichtig, sowohl mit der Geschichte als auch mit dem Ort genau vertraut zu machen: Auschwitz war Konzentrations- und Vernichtungslager. Es bestand aus einer Vielzahl an Lagern im sogenannten SS-Interessengebiet und war ein „öffentlicher Ort“. Besonders eindringlich wirkte das Verlesen von Zeitzeugenberichten im riesigen Areal Birkenau. Hierdurch wurden sowohl das „Funktionieren“ der Häftlingsgesellschaft als auch der verschiedenen Tätergruppen mit ihren unterschiedlichen Profilen plastisch vor Augen geführt.

Das Reiseprogramm ermöglichte – abseits der die 2-Millionen-Grenze erreichenden Besucherströme – eine intensive Beschäftigung mit den unterschiedlichen Lernorten zur NS-Geschichte in der Nähe der Stadt in Oświęcim im heutigen Polen: Am ersten Tag besuchte die Gruppe das  Hauptlager Auschwitz, das Nebenlager Harmense im ehemaligen „SS-Interessengebiet“ und das KZ Monowitz (Auschwitz III) sowie ein Täterhaus. Der zweite und dritte Tag waren dem Lager Birkenau (Auschwitz II) gewidmet: Das Frauenlager, das Quarantänelager, das Theresienstädter Familienlager, Lagerabschnitt III „Mexiko“, das Männerlager, das sogenannte Zigeunerlager sowie die „Judenrampe“ wurden erkundet als Orte, an denen Jugendliche zu unterschiedlichen Fragestellungen arbeiten können.

Die Internationale Jugendbildungsstätte in Oświęcim empfahl sich mit ihren Räumlichkeiten und pädagogischen Angeboten als interessante Anlaufstelle, die auch Workshops für Jugendliche durchführt.

Ein Besuch der Ausstellung „Bilder im Kopf“ des Holocaust-Überlebenden Marian Kolodziej, der die Traumata der Überlebenden thematisiert, ergänzte das Besichtigungsprogramm. Die Ausstellung bietet sich allerdings nur für ältere Schülergruppen an, urteilten die Teilnehmenden nach ihrem Besuch. Aufgrund der intensiven optischen Eindrücke bedürfe es einer intensiven Nachbesprechung.

Am vierten Tag ging es nach Krakau, wo das jüdische Viertel und der jüdische Friedhof auf dem Besichtigungsprogramm standen. Stadtführerin Anna Kiesell stellte Synagogen verschiedener Epochen und religiöser Ausrichtung vor, die das vormalige reichhaltige jüdische Leben Krakaus widerspiegelten.

Dieses Foto zeigt das Mahnmal des früheren KZ Plaszow, vor dem einige Blumen und Kerzen abgelegt sind als Zeichen der Trauer.

Beeindruckend: Das Mahnmal des ehemaligen KZ Plaszow.

Ein Teil der Reisegruppe nutzte noch die Gelegenheit zu einem Besuch der Altstadt und besuchte auf den Spuren des Films „Schindlers Liste“ das ehemalige KZ Plaszow, das von der Altstadt aus gut mit der Straßenbahn erreichbar ist.

Eingerahmt und thematisch ergänzt wurden die Eindrücke der Erkundungstouren durch Info- und Diskussionsabende. So informierte das IBB Dortmund ausführlich über Fördermittel für Gedenkstättenfahrten und verschiedene nicht-schulische Träger der Jugendarbeit, die Gedenkstättenfahrten als Dienstleistung organisieren. Eine lebhafte Diskussion entwickelte sich schließlich zur Frage, was Gruppenbetreuer  wie auch Jugendliche aus einem Besuch in Auschwitz lernen: Roland Vossebrecker, selbst ein erfahrener Begleiter von Gedenkstättenfahrten, plädierte engagiert dafür, nicht nur die Frage zu diskutieren: „Was hätten wir damals getan?“, sondern den Blick in die Zukunft zu richten: „Was müssen wir in Zukunft in globaler Verantwortung tun? Wie können wir das Gelernte in konkretes Engagement einfließen lassen?“

Ein Teil der Teilnehmenden hatte kritisiert, dass der fachliche Input einen zu großen Raum eingenommen hatte, während erhoffte didaktische Fragen zu kurz gekommen seien. Referent Roland Vossebrecker hatte dagegen für eine individuelle Annäherung an den vielschichtigen Lernort plädiert: Vor dem „Lernen aus Auschwitz“ komme das „Lernen über Auschwitz“. Erst eine tiefe fachliche Kenntnis ermögliche es, Jugendliche mit eigener Schwerpunktsetzung anleiten zu können und sie zur Auseinandersetzung mit dem historischen Ort zu befähigen.

Mit vielen zusätzlichen fachlichen Kenntnissen und Anregungen für die Gestaltung von Gedenkstättenfahrten machten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer schließlich am 3. Oktober auf den Heimweg in verschiedene Bundesländer.

Weitere Fortbildungen zur Planung und Durchführung von Gedenkstättenfahrten plant das IBB Dortmund für 2018. Bei Interesse lassen Sie sich gern vormerken per E-Mail an info@ibb-d.de.

Alle Fotos auf dieser Seite: Susanne Wycisk – IBB Dortmund.

Weitere Informationen über die Förderung von Gedenkstättenfahrten finden Sie hier.