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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

Geschichtswerkstatt Tschernobyl präsentiert innovative Ansätze zur Verbesserung der Bildungschancen von jungen Menschen mit Sehbehinderungen

Geschichtswerkstatt Tschernobyl präsentiert innovative Ansätze zur Verbesserung der Bildungschancen von jungen Menschen mit Sehbehinderungen

Ein Konzept, sechs inklusive Schulbücher, zwei Hörbücher und ein Audio-Navigationssystemfür Menschen mit Sehbehinderungen sind die  praktischen Ergebnisse des jetzt beendeten Projekts zur „Verbesserung der Bildungschancen von jungen Menschen mit Sehbehinderung“ in der Ukraine. Am Dienstag, 19. Dezember 2017, konnte das Projektteam um Ljubov Negatina, Leiterin der Geschichtswerkstatt Tschernobyl , die Ergebnisse bei der Abschlussveranstaltung in der Karasin-Universität in Charkiw präsentieren. „Unser Projekt kam genau zum richtigen Zeitpunkt“, sagte Dr. Astrid Sahm, Geschäftsführerin des IBB Dortmund, das das Projekt koordiniert. „Zum 1. September wurde inklusiver Schulunterricht in der Ukraine eingeführt, der dringend angewiesen ist auf inklusive Lernmaterialien.“

Ein Blick ins Publikum in der Karasin-Universität.

Der Rektor der Karasin-Universität hatte die mehr als 50 Teilnehmer persönlich begrüßt und zeigte sich interessiert und aufgeschlossen, das Konzept Wirklichkeit werden zu lassen und die Uni-Bibliothek zu einem inklusiven Medienzentrum umzubauen. Nun soll die Idee in weitere Regionen getragen werden.

Bereits Ende März hatte das Projekt, gefördert durch das Auswärtige Amt der deutschen Bundesregierung, in der Geschichtswerkstatt Tschernobyl in Charkiw seine Arbeit aufgenommen. Eine Hospitation im bundesweiten Kompetenzzentrum für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung „blista“ in Marburg im September 2017 vermittelte einen Blick auf in Deutschland bewährte Methoden. Nur wenige Wochen später präsentierten die Akteure vor etwa 50 Teilnehmern in Charkiw vielfältige Ergebnisse:

Im Mittelpunkt steht das Konzept für inklusive Medienzentren, entwickelt vom Projektteam auf der Grundlage der Hospitation im Marburger Kompetenzzentrum.

Damit nicht genug: Vorgestellt wurden auch sechs neue Bücher für den Schulunterricht, darunter zwei Märchenbücher in englischer Sprache sowie ein Buch über ukrainische Musikkultur im universalen Design. Entstanden sind Bücher, die mit dem bekannten Layout für Sehende und zusätzlich Braille und Taktildruck für Sehbehinderte gut nutzbar sind – und sich damit hervorragend für inklusives Lernen eignen.

Erstmals in der Ukraine wurden Bücher mit Brailleschrift in einem festen Einband und einem integrierten Lesezeichen hergestellt. Bisher wurde Lesestoff üblicherweise in Spiralbindung angeboten, die von einem herkömmlichen „Buchgefühl“ weit entfernt ist. Dies hatten sehbehinderte junge Menschen bei der Veranstaltung besonders dankbar hervorgehoben.

Dass die Bücher überhaupt produziert werden konnten, ist einem früheren Projekt zu verdanken, das durch die Aktion Mensch gefördert worden war: Das soziale Unternehmen „Sozintel“ war in diesem Rahmen durch die NRO „Prawo wybora“, die selbst ein Rehabilitationszentrum für junge Menschen mit Behinderungen betreibt, 2015 gegründet worden. Mit der Förderung durch das Auswärtige Amt wurde nun durch die Erarbeitung eines umfassenden Marketingkonzepts auch die Weiterentwicklung der Druckerei von „Sozintel“ ermöglicht.

Das Projektteam präsentierte außerdem zwei Hörbücher. Diese sind vom Studio „Media Gwara“ produziert worden, das ebenfalls an der Hospitation in Marburg beteiligt war. Außerdem stellte das Team ein Audio-Navigationssystem und weitere elektronische Hilfsmittel vor, die Sehbehinderten die Orientierung im öffentlichen Raum erheblich erleichtern können.

Die Moderation der Abschlussveranstaltung in der Universität Karasin hatte Wolodymyr Noskow übernommen. Der blinde Journalist, hauptberuflich tätig bei Radio Svaboda, hatte auch an der Hospitation im Kompetenzzentrum „blista“ teilgenommen. Er hatte Anfang der 2000er Jahre an der Karasin-Universität studiert, als von inklusiver Bildung in der Ukraine noch keine Rede war und konnte im Projektverlauf wertvolle Erfahrungen beisteuern.

Dank an Ehrenamtliche zum Abschluss des Projekts

Ljubov Negatina (r.), Leiterin der Geschichtswerkstatt Tschernobyl in Charkiw, erklärte die Idee der inklusiven Medien.

Ein besonderer Dank galt den Ehrenamtlichen, die das Projekt mit großem Engagement begleitet hatten. So wurden die Freiwilligen ausgezeichnet, die an den Trainings zur Begleitung von sehbehinderten Studierenden im Studienalltag teilgenommen hatten.

Rund 50 Studierende, Dozenten und Vertreter von Partnerorganisationen hatten an der Abschlussveranstaltung teilgenommen. Vertreter von Elternorganisationen und sozialen Unternehmen aus Charkiw, Dnipro, Kiew und Riwne nutzten die Gelegenheit zum informellen Austausch und steuerten Erfahrungen rund um die Themen Rehabilitation, inklusive Bildung und der Beschäftigungsmöglichkeiten von Menschen mit Seh- und anderen Behinderungen bei.

Arbeit soll möglichst 2018 weitergehen

Die Arbeit soll möglichst gleich im neuen Jahr weitergehen: Das IBB Dortmund hat zusammen mit der Geschichtswerkstatt Tschernobyl in Charkiw und den beteiligten Partnerorganisationen ein Anschlussprojekt entwickelt, um auch in anderen Regionen inklusive Medienzentren aufzubauen.

Einen Bericht zum Projektstart finden Sie hier. 

Weitere Informationen über die Arbeit der Geschichtswerkstatt Tschernobyl in Charkiw finden Sie hier.