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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

Geschichtswerkstatt Tschernobyl unterstützt ukrainische Kriegsflüchtlinge

Die Geschichtswerkstatt Tschernobyl in Charkiw leistet weiterhin Unterstützung für Menschen, die vom Krieg in den ostukrainischen Regionen Donezk und Luhansk betroffen sind. Ihre besondere Aufmerksamkeit gilt derzeit Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen, denen die Flucht nach Charkiw gelungen ist. Denn diese Menschen sind dringend auf Hilfsmittel und Medikamente angewiesen, um zu überleben und die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben wiederzuerlangen. Staatliche Stellen sind mit der notwendigen Versorgung überfordert: Allein in Charkiw hat sich die Zahl der Menschen mit Behinderung durch die Flüchtlingskatastrophe um 20 Prozent erhöht. Die Verwaltung verfügt jedoch nach eigenen Angaben über keine finanziellen Reserven, um zusätzliche Medikamente zur Verfügung zu stellen.

Behinderte und chronisch Kranke im Fokus

Im Juni versorgte die Leiterin der Geschichtswerkstatt Lubow Negatina unter anderem drei diabeteskranke Kinder aus Flüchtlingsfamilien in Bohoduchiw mit Messgeräten, Teststreifen und Insulin sowie sechs Kinder mit Autismus, Kinderlähmung und anderen Behinderungen aus Flüchtlingsfamilien in Charkiw mit notwendigen Medikamenten. Für die Familien, die in der Regel all ihr Hab und Gut verloren haben und nur schwer Arbeit am Zufluchtsort finden, ist dies eine unschätzbare Hilfe. Denn jedes überreichte Medikamentenset übersteigt den Wert eines monatlichen Mindestlohns.

Die Aufmerksamkeit der Geschichtswerkstatt und des Charkiwer Tschernobyl-Verbands gilt darüber hinaus auch alleinerziehenden Müttern von Kleinkindern, Tschernobyl-Betroffenen und anderen Kriegsgeschädigten. Insgesamt erhielten im ersten Halbjahr 2015 mehr als 60 derzeit in der Stadt oder Region Charkiw lebende Tschernobyl-Liquidatoren sowie über 30 weiterhin in Luhansk verbliebene Tschernobyl-Liquidatoren Medikamentenhilfe. Zudem wurden etwa 20 alleinerziehende Mütter im Flüchtlingslager „Romaschka“ mit Medikamenten, Hygieneartikel und Babynahrung versorgt.

Breites Unterstützungsnetzwerk

Ermöglicht wurden diese Hilfsmaßnahmen durch die finanzielle Unterstützung der Evangelischen Kirche von Westfalen sowie zahlreicher privater Spender aus Braunschweig, Dortmund, Gladbeck und Münster. Sie wären zugleich undenkbar ohne die Beratungsstellen, welche die Geschichtswerkstatt in 2014 in Kooperation mit lokalen Tschernobyl-Verbänden und mit Unterstützung von „AKTION MENSCH“ in drei Charkiwer Regionen – Bohoduchiw, Losowa und Wiltscha – aufgebaut hat. Denn diese leisten kostenlose Rechtsberatung für Tschernobyl-Betroffene und Binnenflüchtlinge – ein Angebot, das im Jahr 2015 bereits von mehr als 1.200 Menschen genutzt wurde. Dadurch ist es den lokalen Tschernobyl-Verbänden zugleich möglich zu ermitteln,  auf welche zusätzliche materielle Unterstützung die Beratungssuchenden real angewiesen sind.

Unvergessene Evakuation aus Tschernobyl

Tatjana Sementschuk von der Beratungsstelle in Wiltscha gab im Gespräch mit IBB-Koordinatorin Astrid Sahm eine eindrückliche Erklärung für das ausgeprägte Engagement der Tschernobyl-Verbände zugunsten der Binnenflüchtlinge: „Unser Ort wurde 1986 nach der Reaktorexplosion von Tschernobyl vollständig evakuiert und alle Bewohner in das Charkiwer Gebiet umgesiedelt. Wir wissen daher, was es heißt, alles zu verlieren und wieder ganz von vorne anzufangen. Mit unseren Erfahrungen wollen wir daher den Binnenflüchtlingen Mut für die weitere Gestaltung ihres Lebens machen.“

Weitere Informationen über die Geschichtswerkstatt Tschernobyl in Charkiw finden Sie hier.