Nachrichten

Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

IBB Dortmund organisiert Fortbildung zur Sexualpädagogik für Sehbehinderte in der Geschichtswerkstatt Charkiw

IBB Dortmund organisiert Fortbildung zur Sexualpädagogik für Sehbehinderte in der Geschichtswerkstatt Charkiw

Mit einer zweitägigen Fortbildung des diesjährigen Projekts „Liebe blind verstehen“, gefördert vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland, hat das IBB Dortmund (IBB gGmbH) am Donnerstag (5. Dezember) und Freitag (6. Dezember 2019) sein Engagement für  Menschen mit Sehbehinderungen in der Geschichtswerkstatt Charkiw fortgesetzt. An zwei Tagen informierte Sexualpädagogin Petra Winkler von pro familia Berlin Fachkräfte aus Nichtregierungsorganisationen und Medienzentren der Umgebung über neue Ansätze in der Sexualerziehung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Behinderungen.

Von der ersten Verliebtheit bis zum Wunsch nach einer festen Partnerschaft und eigenen Kindern: Fragen rund um die Sexualität berühren jede Phase des Lebens und jeden Menschen. Referentin Petra Winkler machte deutlich, dass Sexualerziehung für seh- und mehrfachbehinderte Menschen heute noch teilweise auf Tabus stößt und Unsicherheiten, wie Informationen über Lust und Liebe vermittelt werden können. Eine positives Körpergefühl und ein angemessenes Schamgefühl seien auch für Blinde und Sehbehinderte wichtige Bausteine für ein gesundes Selbstbewusstsein, betonte Petra Winkler.

Das IBB hatte eigens tastbare Modelle von Sexualorganen organisiert, die die Firma Paomi in Deutschland anbietet und die besonders für die Unterrichtung von Blinden und Sehbehinderten geeignet sind. Denn ein gutes Maß an Information gehört immer dazu: Über den eigenen Körper und das  Gegenüber. Über Verhütungsmittel und mögliche Folgen, wenn man auf sie verzichtet. Und über die Grenze zur sexualisierten Gewalt.

Fachkräfte simulierten, wie sehbehinderte und blinde Jugendliche die taktilen Modelle der Geschlechtsorgane erkunden können.

Die Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung e.V. pro familia arbeitet nach dem rechtebasierten Beratungsansatz. Denn auch Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen haben das Recht auf Liebe und Privatsphäre, betonte die Referentin vor Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Sexualpädagogische Arbeit setze deshalb auf die Vermittlung von Erfahrungen zu Nähe und Distanz und auf ein gutes „Bauchgefühl“. Wie die Informationen vermittelt werden könne, hänge stark von der jeweiligen Zielgruppe ab und beziehe meist auch die Eltern mit ein, die häufig viele offene Fragen haben.

Die Fortbildung richtete sich an Vertreter der 2017 und 2018 neu geschaffenen Medienzentren für Sehbehinderte in Kiew, Dnipro, Riwne und Charkiw. Sie sollen ihre Rolle als kompetente Beratungs- und Koordinierungsstellen für soziale Nichtregierungsorganisationen und für Menschen mit Sehbehinderungen mit dem Wissen dieser Fortbildung professionalisieren können.

„Vielen Lehrkräften und Eltern fällt es nicht leicht, über das Tabu-Thema Sexualität von Menschen mit Behinderungen zu reden“, resümierte Liubov Negatina, Leiterin der Geschichtswerkstatt Tschernobyl in Charkiw. „Die Fortbildungsreihe hat den Multiplikatoren die nötige Sicherheit im Umgang mit dem Themenkomplex vermittelt und zugleich deutlich gemacht, dass besonders auch die Gewaltprävention dauerhaft ein wichtiges Thema bleibt.“

Die Fortbildung war der Höhepunkt in der Reihe  „Liebe blind verstehen“. Das IBB Dortmund hatte seit Juni 2019 Seminare und Trainings in Charkiw, Riwne und Kiew organisiert. Parallel sind zwei Bücher für blinde und sehbehinderte Jugendliche entstanden: „Lass uns darüber sprechen!“ und „Ein großes Buch über Gefühle“ werden zurzeit gerade jeweils in Brailleschrift gedruckt, so dass sich sehbehinderte Jugendlichen im eigenen (Lese-) Tempo eigenständig mit den Inhalten beschäftigen können.

Als letztes Modul der Veranstaltungsreihe ist noch ein Training mit sehbehinderten und blinden Jugendlichen aus fünf Schulen in Kiew am Sonntag, 22. Dezember 2019, geplant. Auch hier wird bewusst eine speziell geschulte Sexualpädagogin als schulfremde Ansprechpartnerin eingesetzt, damit die Jugendlichen alle Fragen zum Thema möglichst unbelastet von möglichen Rücksichtnahmen stellen können.

Weitere Informationen über die Arbeit der Geschichtswerkstatt Tschernobyl in Charkiw finden Sie hier.