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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

IBB Dortmund organisiert Runden Tisch zur Kreislaufwirtschaft in Belarus

IBB Dortmund organisiert Runden Tisch zur Kreislaufwirtschaft in Belarus

Die Weiterentwicklung der belarussischen Volkswirtschaft von der Wegwerfwirtschaft zur Kreislaufwirtschaft genießt im Konzept für die Fortschreibung der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie 2035 eine hohe Priorität. Doch wie lässt sich die weitreichende Umstellung überhaupt erreichen? Und welche Erwartungen darf man an die Umstellung knüpfen? Das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk gGmbH Dortmund (IBB Dortmund) brachte Experten aus Belarus und Deutschland am 22. März 2019 im Rahmen des Förderprogramms Belarus am Runden Tisch in Minsk zusammen.

Die Ziele sind ehrgeizig: Viktor Pinigin, Direktor des Forschungsinstituts im Wirtschaftsministerium, unterstrich in seinem Grußwort, dass die Kreislaufwirtschaft nicht nur ökologisch interessant sei, sondern auch ökonomisch. So werde eine Erhöhung des Bruttoinlandsprodukt (BIP) um bis 10 bis 15 Prozent erwartet.

Doch was bedeutet die Umstellung auf die Kreislaufwirtschaft und warum ist das Umsteuern so dringend nötig? Zachary Taylor, Bevollmächtigter der UNDP in Belarus, stellte seinen Zuhörern die rhetorische Frage, ob sie wissen, aus welchen Rohstoffen ihre Smartphones bestehen und wo die einzelnen Bauteile gefertigt wurden? Nach der mehr als 200 Jahre alten Formel der linearen Wirtschaft seien Produkte gebaut, genutzt und weggeworfen worden. Millionen Tonnen Plastik in den Weltmeeren und exorbitant anwachsende Abfallmengen auf dem Festland sind die Folge. Allein die Mengen machen ein Umsteuern in Richtung nachhaltige Wirtschaft so dringlich. Belarus hat sich – zuletzt in einer Direktive von Anfang März 2019 – die Verminderung von Abfallmengen und die Erhöhung der Recyclingquote auf die Fahnen geschrieben. Weitere Schritte sollen folgen.

Dieses Foto zeigt Dr. Henning Wilts vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH bei seinem Vortrag über Beispiele aus der Kreislaufwirtschaft aus Deutschland, den Niederlanden und den USA.

Dr. Henning Wilts vom Wuppertal Institut stellte in seinem Vortrag Beispiele aus der Kreislaufwirtschaft aus Deutschland, den Niederlanden und den USA vor.

Denn Kreislaufwirtschaft ist weit mehr als die Vermeidung oder Entsorgung von Abfällen. Das machte Dr. Henning Wilts vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH in seinem Impulsvortrag deutlich. Er stellte nicht nur einen möglichen Projektplan vor, sondern inspirierte seine Zuhörer auch mit Beispielen aus den USA, den Niederlanden und Deutschland. So präsentierte er ein Beispiel für eine Closed-Cycle-Economy in der US-amerikanischen Lebensmittelindustrie: Dort haben sich 16 Unternehmen, ein Projektentwickler und eine Nichtregierungsorganisation (NGO) zusammengeschlossen. Ihr Ziel: Was vormals als „Abfall“ entsorgt werden musste, wurde als Nebenprodukt an andere Unternehmen innerhalb des geschlossenen Kreises zur Weiternutzung verkauft. So konnten zum Beispiel Braugetreide-Abfälle aus einer Brauerei als Substrat für die Pilzzucht genutzt werden. Am Ende konnten  Lebensmittelabfälle und damit materielle Verluste verringert und die Wertschöpfung aus den eingesetzten Rohstoffen erhöht werden.

Eine ungewöhnliche Idee stammt aus der niederländischen Textilindustrie mit dem Textil-Leasing: Jeans werden dort zu 40 Prozent aus recyceltem Material hergestellt. Der Kunde kann getragene Jeans nach einem speziellen Vertragsmodell gegen neue Jeans eintauschen. Das Unternehmen generiert aus den Alt-Jeans wertvolle und dabei kostengünstige Sekundärrohstoffe. In diesem Kreislauf werde insbesondere die Umwelt entlastet durch einen verringerten Rohstoffverbrauch, einen geringeren Einsatz von Chemikalien und in der Folge eine geringere Abwasserbelastung.

Nutzen statt Besitzen ist das wesentliche Prinzip beim Car-Sharing: Ein Car-Sharing-Fahrzeug kann bis zu 20 PKW ersetzen.

Ein Beispiel aus dem Maschinenbau in Deutschland zielte auf eine verbesserte Ausnutzung vorhandener Ressourcen: Das Unternehmen stellt aus Schmiederesten ein feinkörniges Metallpulver her, das als Rohstoff in die Produktion zurückgeführt wird. Der Materialbedarf konnte dadurch um 60 Prozent gesenkt werden.

Gerade am Beispiel des Car-Sharing entwickelte sich eine lebhafte Diskussion:

Ist ein Verzicht auf Individualverkehr nicht ökologisch sinnvoller als Car-Sharing? Wie kann überhaupt eine Öko-Kultur in der belarussischen Bevölkerung geschaffen werden? Wie ist der Lebenszyklus der Produktion zu bewerten? Und welche Indikatoren messen den Ressourcenverbrauch und damit die erreichten Erfolge?

Recyclingfähigkeit und eine Ressourcen- und Energie-sparende Produktion könne zum Export-Hindernis werden, mahnten die deutschen Experten. Langfristig könne Belarus den Zugang zu den europäischen Märkten verlieren, wenn die Potentiale der Kreislaufwirtschaft nicht genutzt werden.

Unser Foto zeigt Dr. Astrid Sahm, Geschäftsführerin der IBB gGmbH Dortmund, sitzend am Mikrophon: Sie sicherte weitere Unterstützung beim Ausbau der Kreislaufwirtschaft zu.

Dr. Astrid Sahm, Geschäftsführerin der IBB gGmbH Dortmund, sicherte weitere Unterstützung beim Ausbau der Kreislaufwirtschaft zu.

Einige positive Ansätze gebe es bereits in Belarus, berichtete Maxim Ivanow, Leiter des Regionalforschungszentrums Brest: Die bisherige Abfallbehandlung und -verarbeitung sei schon jetzt wirtschaftlich rentabel, ergänzte Sergej Schilintschuk, stellvertretender Vorsitzender des Brest-Regionalkomitees für natürliche Ressourcen und Umweltschutz. Julia Jablonskaja , Vorsitzende des NGO „Ekopartnerstwo“, warf die Frage auf, wie die Wertstoffsammlung organisiert und optimiert werden kann. Dabei verwies sie insbesondere auf die Potentiale, die bei den privaten Haushalten liegen.

In einer Frage waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig: Eine wichtige Rolle werde die Aus- und Weiterbildung spielen. Bislang gebe es bei Fach- und Führungskräften nur in geringem Maße ein Problembewusstsein oder berufsbezogene Vorkenntnisse, beklagte Sergej Dorozhko, Leiter des Zentrums für ressourceneffiziente und saubere Produktion.

Tatjana Konontschuk, Vorsitzende des Ständigen Ausschusses für Ökologie, Umweltmanagement und Folgen der Tschernobyl-Katastrophe im Repräsentantenhaus der Nationalversammlung der Republik Belarus, skizzierte wichtige Schlüsselaspekte für das Gelingen: Es dürfe nicht nur an die Verantwortung für die Umwelt erinnert werden. Es müsse auch wirtschaftliche Anreize für die Bevölkerung geben.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer äußerten am Ende ein großes Interesse, mehr über die  bisherigen Erfahrungen in Deutschland, insbesondere auch  von privaten Unternehmen zu erfahren, um ein Kreislaufwirtschaftsmodell für Belarus zu entwickeln.

Dr. Astrid Sahm, Geschäftsführerin der IBB gGmbH Dortmund, sagte ihre Unterstützung zu: „Dank einer zusätzlichen Projektförderung durch das BMZ und die GIZ können wir dem Thema Kreislaufwirtschaft in den nächsten 20 Monaten besondere Aufmerksamkeit widmen. Gemeinsam mit dem Wuppertal Institut werden wir daher belarussische Akteure bei der Erarbeitung einer Kreislaufwirtschaftsstrategie für Belarus beraten sowie durch unter­schiedliche Bildungsbausteine die für ihre erfolgreiche Umsetzung und Weiterentwicklung erforderlichen Kompetenzen vermitteln.“

Weitere Informationen über das Förderprogramm Belarus finden Sie hier.