Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

IBB Dortmund veröffentlicht virtuelle Exkursion zum Vernichtungsort Trostenez zum internationalen Holocaust-Gedenktag

IBB Dortmund veröffentlicht virtuelle Exkursion zum Vernichtungsort Trostenez zum internationalen Holocaust-Gedenktag

Zum internationalen Holocaust-Gedenktag am 27. Januar veröffentlicht das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk gGmbH in Dortmund eine virtuelle Exkursion zum Vernichtungsort Malyj Trostenez in Belarus. Dr. Aliaksandr Dalhouski, stellvertretender Leiter der Geschichtswerkstatt „Leonid Lewin“ Minsk, erläutert in dem Video die weitläufige Erinnerungslandschaft am Rande von Minsk. Dort wurden vom Frühjahr 1942 bis Oktober 1943 mindestens 60.000 Menschen aus dem damals von Deutschen besetzten Teil der Sowjetunion und Westeuropa ermordet. Das 22 Minuten lange Video gibt einen Überblick über die während der Besatzung an diesem Ort begangenen Verbrechen und die Entwicklung der Erinnerungskultur nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis heute.

„Das Video zeigt die vielschichtigen Dimensionen dieses gesamteuropäischen Vernichtungsortes und lädt zu einer multiperspektivischen Auseinandersetzung mit Erinnerung ein“,

sagt Dr. Astrid Sahm, Geschäftsführerin der IBB gGmbH in Dortmund, die die Produktion begleitet hat und Bildungsangebote zum Lernort Trostenez entwickelt.

Mit Luftaufnahmen und historischen Fotos beschreibt der Historiker Aliaksandr Dalhouski auf dem heute zur Gedenklandschaft gestalteten Gelände anschaulich, dass der Vernichtungsort aus einer Erschießungsstätte im Wald von Blagowschtschina, einem Zwangsarbeitslager und der Leichenverbrennungsanlage Schaschkowka bestand. Partisanen, Kriegsgefangene und Juden aus Belarus und anderen Teilen der Sowjetunion, aber auch mehr als 23.000 deportierte Jüdinnen und Juden aus Deutschland, Österreich und Tschechien wurden teilweise sofort nach ihrer Ankunft im Wald von Blagowschtschina erschossen, in Massengräbern begraben, später exhumiert und zur Beseitigung aller Spuren verbrannt. Die Opferzahlen können heute nur geschätzt werden, belaufen sich aber auf mindestens 60.000 Menschen. Damit ist Malyj Trostenez einer der größten Vernichtungsorte auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion.

Aliaksandr Dalhouski schildert auf der virtuellen Exkursion, wie sich die Erinnerung an den in Westeuropa lange unbekannten Orte entwickelt hat, wie in Belarus zunächst kleine Gedenksteine aufgestellt wurden, die dem Ausmaß der Vernichtung kaum gerecht wurden und die historischen Ereignisse fast in Vergessenheit gerieten und wie ab 2009 die Erinnerung individualisiert wurde unter anderem durch die Bürgerinitiative IM-MER aus Österreich im „Wald der Namen“. Seit 2012 hatte sich das IBB Dortmund mit einer Spendenaktion für den Bau der Gedenkanlage eingesetzt. 2018 konnte das Denkmal „Der Weg des Todes“ mit Hilfe weiterer Fördermittel des Auswärtigen Amts und des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge eröffnet werden.

Heute ermöglichen beide Projekte ebenso wie das österreichische Denkmal „Massiv der Namen“ einen emotionalen Zugang zu diesem europäischen Erinnerungsort. Aliaksandr Dalhouski schildert aber auch die Bedenken der Angehörigen von belarussischen Opfern, die in Sorge waren, dass ihre Erinnerung verdrängt werden könnte, denn von Opfern aus der ehemaligen Sowjetunion sind nur vergleichsweise wenige Namen bekannt. Inzwischen finden sich im „Wald der Namen“ aber auch Schilder zur Erinnerung an belarussische Opfer, die Jugendliche aus einer Schule in der Nachbarschaft an den Bäumen angebracht haben. Sie zeigen, dass die Erinnerung eines Menschen nicht die Erinnerung eines anderen verdrängt und die Gedenklandschaft zu einem europäischen Erinnerungsort wird.

Aliaksandr Dalhouski benennt auch Bedarfe für die Zukunft. Vor allem fehlt noch ein Informationszentrum: „Ich glaube, dass dieser Ort eine große Rolle bei der Bildung junger Menschen spielen kann“, sagt er. Denn: „Hier kann man nachvollziehen, wie Gewalt entsteht, wie es zur Radikalisierung der Gewalt kommt und wie schwierig die Aufarbeitung ist und wie schwer die Erinnerung daran fällt.“

Das Video, realisiert von Aliaksandr Dalhouski, Yuliya Kotskaya und Andrei Shauliuha, entstand in Kooperation vom IBB Dortmund (IBB gGmbH), der IBB „Johannes Rau“ Minsk und der Geschichtswerkstatt „Leonid Lewin“ Minsk mit einer Förderung des Auswärtigen Amtes.