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IBB fördert aktiven sozialen Dialog in der Ostukraine

IBB fördert aktiven sozialen Dialog in der Ostukraine

Dank einer erneuten Projektförderung durch das Auswärtige Amt kann das IBB in 2015 wieder mehrere Maßnahmen zur Förderung des sozialen Dialogs in den ostukrainischen Regionen Charkiw und Dnipropetrowsk umsetzen. Derzeit richtet sich die Aufmerksamkeit der ukrainischen Öffentlichkeit sowie internationaler Geber vor allem auf die Probleme der Binnenflüchtlinge und der von der Front zurückgekehrten Kriegsteilnehmer.

Dadurch entsteht die Gefahr, dass andere, bereits seit langem bestehende soziale Gruppen mit hohem Unterstützungsbedarf, wie Behinderte, Tschernobyl-Betroffene und andere, sich mit ihren drängenden Problemen alleingelassen fühlen. Genau hier setzt das IBB mit seinem neuen Projekt an, dessen zentrale Partner die Geschichtswerkstatt Tschernobyl in Charkiw sowie die Tschernobyl-Verbände in Charkiw und Dnipropetrowsk sind.

Wichtiger Erfahrungsaustausch

Die Verbände der Tschernobyl-Betroffenen sollen dabei eine besondere Brückenfunktion zwischen den „alten“ und „neuen“ sozialen Gruppen übernehmen. Denn ihre Erfahrungen als Liquidatoren und Umsiedler können für die Binnenflüchtlinge und Kriegsteilnehmer im Umgang mit den eigenen Problemen in vielerlei Hinsicht hilfreich sein. Diese Annahme bestätigte sich beim Vernetzungstreffen sozialer NGOs und Organisationen in Dnipropetrowsk am 24. September 2015, an dem auf Einladung des Tschernobyl-Verbands auch Vertreter mehrerer neu gegründeter Organisationen zur Unterstützung von Binnenflüchtlingen und heimgekehrten Soldaten teilnahmen.

             Im Büro des 1. Rechsthilfezentrums in Dnipropetrowsk     Wjatscheslaw Pachuta zu Integrationsschwierigkeiten von Kriegsheimkehrern_3

Probleme der Kriegsteilnehmer

So berichteten Aleksej Korzh von der NGO „Nationale Aktion“ und Wjatscheslaw Pachuta von der NGO „20. Legion“ über die zahlreichen Integrationsschwierigkeiten heimgekehrter Soldaten. Diejenigen, die freiwillig an die Front gegangen sind, müssen sich die Anerkennung des Status eines Kriegsteilnehmers und die damit verbundenen staatlichen Sozialleistungen häufig per Gericht erstreiten. Fast alle Heimkehrer leiden unter psychischen Problemen, und viele sind auf der Suche nach neuen Arbeitsmöglichkeiten – insbesondere wenn sie ihren bisherigen Beruf aufgrund einer Verletzung nicht mehr ausüben können. Beide NGO-Vertreter äußerten daher ein großes Interesse, von den Erfahrungen der Tschernobyl-Verbände in den Bereichen Rechtsberatung und soziale Adaption zu profitieren sowie gemeinsam am Aufbau sozialer Unternehmen zu arbeiten. Alle Teilnehmer des Vernetzungstreffens wurden sich schnell einig, diese Fragen beim Sozialen Forum am 11. Dezember 2015 in Dnipropetrowsk als zentrale Themen zu behandeln.

Neue Beratungsmöglichkeiten

Wesentlich am Zustandekommen dieses Austauschs zwischen Tschernobyl-Liquidatoren und Kriegsheimkehrern beteiligt war das 1. Dnipropetrowsker Zentrum für kostenlose Rechtshilfe, dessen Leiterin Lina Sergeewa selbst eine Tschernobyl-Betroffene ist. Seit Juli 2015 hat der ukrainische Staat mit Hilfe internationaler Geber landesweit insgesamt 100 solcher Zentren eröffnet, die sozial bedürftigen Gruppen bei gerichtlichen Streitfällen kostenlos einen Anwalt vermitteln. Allerdings gehören bisher weder die Kriegsheimkehrer noch die Tschernobyl-Betroffenen  zu den Zielgruppen der Zentren – es sei denn, sie sind behindert oder haben ein niedriges Einkommen.

Kooperationsperspektiven

Aus Sicht der Leiterin des Berliner IBB-Büros Astrid Sahm, die die Ukraine-Projekte des IBB koordiniert, setzt der ukrainische Staat mit der Eröffnung dieser Zentren ein wichtiges Signal der Unterstützung für sozial bedürftige Gruppen sowie der Dialogbereitschaft mit sozialen NGO. So hat das Dnipropetrowsker Rechtshilfezentrum bereits eine Kooperationsvereinbarung mit dem Tschernobyl-Verband unterzeichnet. „Dies heißt, dass wir gemeinsam mit dem Zentrum die Rechtsberatung für Tschernobyl-Betroffene qualifizieren können,“ betont Astrid Sahm. Das erste gemeinsame Seminar fand bereits einem Tag nach dem Vernetzungstreffen am 25. September 2015 statt. „Wir hoffen sehr, dass wir durch diese Maßnahmen einen Beitrag dazu leisten können, dass die Probleme der Tschernobyl-Betroffenen nicht in Vergessenheit geraten. Im Idealfalle würden NGO und Staat gemeinsam daran arbeiten, dass es eine einheitliche Gesetzgebung für alle Personengruppen gibt, die ihr Leben und ihre Gesundheit im Interesse des öffentlichen Gemeinwohls riskiert haben“, beschreibt Astrid Sahm die Perspektiven der weiteren Arbeit.

Weitere Informationen über die Arbeit der Geschichtswerkstatt Tschernobyl in Charkiw finden Sie hier.