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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

IBB unterstützt Flüchtlinge in den Regionen Charkiw und Luhansk

„Die Flüchtlinge müssen erst einmal durch den Winter kommen!“ Ljubov Negatina, Leiterin der Geschichtswerkstatt Tschernobyl in Charkiw, schaut mit großer Sorge in die Zukunft: „Wir haben jetzt schon nur 2 Grad, die Menschen leben in Notquartieren, haben viel zu wenig warme Kleidung und es fehlt überall an Medizin.“ Mehr als 1,5 Millionen Binnenflüchtlinge suchen im Lande eine neue Heimat. Das IBB Dortmund hat mehrere Hilfsprojekte initiiert. Mehr als 800 000 Menschen waren damals am explodierten Reaktor von Tschernobyl im Einsatz, um Schlimmeres für uns alle in Europa zu verhindern“, sagt Peter Junge-Wentrup, Geschäftsführer des IBB Dortmund. „Es ist unverzichtbar, dass wir ein Zeichen der Solidarität setzen.“

Viele junge Leute sind ins Ausland geflohen 

In den umkämpften Regionen Donezk und Luhansk sei nun weitgehend Waffenruhe eingekehrt. Doch viele Kriegsheimkehrer müssen körperliche und seelische Verletzungen auskurieren. Viele junge Leute sind aus dem Land geflohen, berichtet Ivan Volchanskij, Sprecher des Tschernobyl-Verbandes Luhansk. In Charkiw hat sich der die Zahl der Menschen mit Behinderung durch die Flüchtlingskatastrophe um 20 Prozent erhöht.

Medikamente fehlen

Engagierte Unterstützung finden die Flüchtlinge bei den Tschernobyl-Verbänden in der Region. Dabei geht es vielen Liquidatoren, die 1986 am brennenden Reaktor gesundheitsschädigenden  Strahlendosen ausgesetzt waren, selbst nicht gut. „Die Tschernobyl-Betroffenen müssen mit nur noch 85 Euro Rente im Monat auskommen. Aber die Kosten sind um drei bis sieben Prozent gestiegen und wir brauchen Medikamente“, sagt Anatolij Gubarev, Sprecher des Tschernobyl-Verbandes Sojus in Charkiw.

Das IBB Dortmund steht  den Tschernobyl-Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite, berichtet Dr. Astrid Sahm, Leiterin der IBB-Repräsentanz Berlin und Koordinatorin der Ukraine-Hilfe: Der Erlös aus einer Reihe von Benefiz-Veranstaltungen in Dortmund, Münster, Gladbeck und Braunschweig –  ergänzt um einen Zuschuss der Evangelischen Kirche von Westfalen – versorgte  60 Liquidatoren aus Charkiw und 30 aus Luhansk im ersten Halbjahr 2015 mit Medikamenten. Zudem wurden Mütter mit Kleinkindern unterstützt.

Hilfe zur Selbsthilfe

Hilfe zur Selbsthilfe vermittelt ein anderes Projekt: Gefördert vom Auswärtigen Amt geben das IBB und die Geschichtswerkstatt Charkiw Impulse zum sozialen Dialog.

Außerdem konnte die Geschichtswerkstatt Charkiw Beratungsstellen in Bohoduchiw, Losowa und Wiltscha aufbauen – unterstützt durch die örtlichen Tschernobyl-Verbände und die Aktion Mensch.

Eine besondere Premiere stand am 11. Oktober an: Nach 18 Monaten Vorarbeit eröffnete das erste soziale Unternehmen „Sozintel“ in Charkiw. Es bietet behinderten Menschen eine Beschäftigung und fördert durch die Herstellung taktil erfahrbarer Bücher die Inklusion von sehbehinderten Menschen. Weitere sechs Firmengründungen können möglicherweise ebenfalls durch die Aktion Mensch gefördert werden.

„Es gibt kein fremdes Leid“

„Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl wurde ich mit 22 Jahren hochschwanger in den neuen Ort Wiltscha in der Region Charkiw übersiedelt. Wir wissen sehr genau, was es heißt, alles zu verlieren“, sagt Tatjana Sementchuk. Sie ist eine von rund 30 Tschernobyl-Betroffenen, die sich für die Binnenflüchtlinge engagiert und an der Planungskonferenz für die Europäischen Aktionswochen in Geseke teilnahm. „Es gibt kein fremdes Leid“, sagte sie dort entschieden. „Wir gehören alle zusammen.“