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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

Internationale Studienreise: Historiker aus drei Ländern sehen Berlin aus vielen Perspektiven

Internationale Studienreise: Historiker aus drei Ländern sehen Berlin aus vielen Perspektiven

An einem historischem Datum – genau 80 Jahre nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs – trafen sich etwa 20 Historikerinnen und Historiker aus der Ukraine, Belarus und Russland zu einer internationalen Studienreise in Berlin. An Lernorten der Erinnerung tauschten sie sich über unterschiedliche, teilweise konkurrierende Geschichtsnarrative aus. Gemeinsam entwickelten sie Ideen, wie eine europäische, multiperspektivische Erinnerungskultur weiterentwickelt werden kann.

Seminargruppe im Deutsch-Russischen Museum Berlin-Karlshorst

Dr. Kristiane Janeke, frühere Direktorin des Deutsch-Russischen Museums Berlin-Karlshorst, berichtete über die Erinnerungsarbeit am Ort der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht.

Die Studienfahrt im Rahmen der IBB-Projektreihe „Historische Bildungsarbeit 4.0“ führte zunächst zum Deutsch-Russischen Museum Karlshorst: In jenem Gebäude, wo 1945 die Kapitulationsurkunde das Ende des Krieges besiegelt worden war, berichtete Dr. Kristiane Janeke, frühere Direktorin des Museums, über den teilweise schwierigen Prozess, einen  internationalen Konsens über die Interpretation und Aufbereitung historischer Fakten zu gewinnen. „Sie gewährte uns sozusagen einen Einblick in den Maschinenraum der grenzüberschreitenden Verständigung, die Kompromisssuche und zuweilen auch Streitkultur“, schilderte einer der Teilnehmenden den erhellenden Insider-Bericht. Annika Kreft, Kuratorin der Dauerausstellung, stellte sich ebenfalls den interessierten Fragen der Gäste.

Tief beeindruckt zeigte sich die Gruppe auch vom Denkmal für die ermordeten Juden Europas im Herzen Berlins, das erst 2005 der Öffentlichkeit übergeben worden war (unser Foto oben). Adam Kerpel-Fronius, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, berichtete bei einer Führung über den langen und beschwerlichen Weg zur Errichtung des weiträumigen Denkmals, das heute als das wichtigste Mahnmal in Deutschland gilt. Er diskutierte anschließend mit den Teilnehmern auch über die Wirkung der Exposition. Den „Ort der Information“ besuchen jährlich rund 500.000 Besucher, erfuhren die Gäste aus Belarus, Russland und der Ukraine.

Ein gemeinsames Projekt zur Erinnerungskultur entsteht in internationaler Gruppenarbeit.

Nach den Exkursionen tauschten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über ihre Eindrücke aus und lernten so auch die individuellen Perspektiven der anderen näher kennen. In Teams stellten sie sich sodann der Aufgabe, innovative Ideen für die historische Bildung zu entwickeln. Auf diese Weise entstanden noch in Berlin ein fertiges Konzept für einen Oral-History-Workshop für universitäre Geschichtsseminare zur Zwangsarbeit, ein Longread zu traumatischen Erfahrungen von Kindern, die im Krieg Bombardierungen erlebt haben, ein Instagram-Projekt zu individuellen Familienerinnerungen und vieles mehr.

Am Rande erlebten die Teilnehmenden auch den Ausgang der Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen und die Reaktionen auf das Erstarken der rechtsextremen Kräfte  mit. Zum Abschluss-Essen trafen sich die Akteure der Erinnerungsarbeit im syrischen Restaurant „Kreuzberger Himmel“ – geführt von einer Bürgerinitiative, die sich seit Jahren um die Integration von Flüchtlingen bemüht. Die Bürgerinitiative setzt sich aktiv für ein Miteinander über nationale Grenzen hinweg ein. Und dies sei ein deutliches Zeichen, erfuhren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dass die Menschen ihre Lehren aus der Geschichte gezogen haben.

Weitere Informationen über unsere Angebote im Arbeitsgebiet Erinnern finden Sie hier.