Nachrichten

Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

IV. Social Business Forum in Belarus: Krise als Chance für mehr nachhaltige Entwicklung

IV. Social Business Forum in Belarus: Krise als Chance für mehr nachhaltige Entwicklung

Sie bieten Zero-Waste-Produkte im Online-Shop, vermitteln geschulte Babysitter, beschäftigen Menschen mit Behinderungen in einem Café, betreiben Erholungsheime oder vermarkten die Kunstwerke, die Menschen mit Behinderungen geschaffen haben: Die Szene der Sozialunternehmen ist in den vergangenen Jahren auch in Belarus größer und vielfältiger geworden. Gemeinsam leisten sie einen wesentlichen Beitrag, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 zu erreichen.

Das IV. Forum der Sozialunternehmen, am 1. und 2. Juli 2021 organisiert von der IBB gGmbH Dortmund und Partnern im Rahmen des Förderprogramms Belarus, stellte vor internationalem Publikum die Bedeutung der jungen Branche in den Vordergrund: „Social Entrepreneurship ist eine Lokomotive für die Erreichung der SDGs“, betonte Joanna Kazana-Wisniowiecki, Leiterin der UN-Vertretung in Belarus in ihrem Grußwort, „da es nicht nur die wirtschaftliche Nachhaltigkeit sicherstellt, sondern auch positive Veränderungen im sozialen Bereich, in der Ökonomie und in der Ökologie bewirkt.“

Branche unter Druck durch die Corona-Krise

Dr. Astrid Sahm, Geschäftsführerin des IBB Dortmund (IBB gGmbH) hatte rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum zweitägigen Online-Forum begrüßt, unter ihnen auch Vertreterinnen und Vertreter von NGO und staatlichen Einrichtungen: „Die Corona-Pandemie hat uns alle vor große Herausforderungen gestellt, aber jede Krise bietet auch Chancen“, warb sie um Zuversicht. Gerade in der Krise habe sich die Flexibilität der meist noch kleinen und jungen Sozialunternehmen als entscheidender wirtschaftlicher Vorteil erwiesen. Die Einschränkungen in den persönlichen Kontakten und in der Mobilität hatten in vielfältiger Weise Innovationen befördert. „Klein und wendig, nah an den Bedürfnissen der eigenen Nachbarschaft und Community wurden Bedarfe erkannt und in einem beeindruckenden Tempo kreative Lösungen entwickelt.“ Nun gelte es, die Corona-Pandemie durch gemeinsame Anstrengungen und Solidarität auf lokaler wie internationaler Ebene zu bekämpfen und die Arbeit der Sozialunternehmen durch internationalen Erfahrungsaustausch zu stärken.

Aus der IBB „Johannes Rau“ Minsk wurden einige Beiträge zum IV. Social Business Forum ins Online-Meeting übertragen.

Zur Einführung schilderten Vertreterinnen und Vertreter verschiedener belarussischer Sozialunternehmen, wie sie auf die aktuellen Herausforderungen reagiert haben. Die meisten Unternehmen existieren noch nicht sehr lange. Viele soziale Unternehmen sind von NGO gegründet worden als Inklusionsbetriebe, das heißt, sie beschäftigen überwiegend Menschen mit Einschränkungen. Zumindest bisher genießen sie aber kaum staatliche oder steuerliche Förderung und müssen sich im Wettbewerb mit anderen Unternehmen und Dienstleistern am Markt behaupten. Den noch jungen Unternehmen fehlt daher vielfach auch die Erfahrung im Umgang mit herausfordernden Situationen. Die generell schon schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wurden für viele der meist kleinen Betriebe daher schnell existenzbedrohlich.

Sozialunternehmen berichten über ihre Erfahrungen

Soziale Dienstleistungen, die sich zum Beispiel der Arbeit mit an Krebs erkrankten Frauen widmen, mussten die Empfehlungen zum erhöhten Abstand einhalten und konnten nur unter erschwerten Bedingungen eingeschränkt fortgeführt werden. Bildungseinrichtungen und Netzwerke mussten ihre Beratungsangebote und Dienstleistungen möglichst schnell online anbieten. Büroarbeiten wurden ins Home-Office verlegt. Reale Verkaufsstellen wurden zu neuen Internet-Shops, persönliche Gespräche mussten als Video-Meetings geplant werden.

Ein Blick in den virtuellen Konferenzraum.

Der Umgang mit Softwarelösungen, das elektronische Dokumentenmanagement, digitale Bezahlsysteme und die Techniken des Online-Marketings mussten schnell implementiert und trainiert werden. Rechtliche Fragen rückten in den Mittelpunkt: Wie wickelt man Verkaufsanfragen aus dem Ausland ab? Gleichzeitig brachen sichere Einnahmen weg. Die Pandemie stellte somit besonders die  Sozialunternehmen vor existenzielle Herausforderungen. Nadezhda Juschkevitsch von der Stiftung Dobra stellte dazu die Ergebnisse einer Studie zu Problemen und Bedarfen belarussischer Sozialunternehmen vor.

Erfahrungen aus Lettland und Israel bestätigten die Erfahrungen in Belarus: Diana Lapkis aus Lettland und Zvi Rubintschik aus Israel berichteten ergänzend von der Situation in ihren Herkunftsländern. Dort stehen vermehrt schon Anlaufstellen für die speziellen Bildungsbedarfe der sozialen Betriebe zur Verfügung, erfuhren die Zuhörenden. In der Organisationsform als Verein bündeln diese Dachorganisationen zum Beispiel in Lettland die Bedarfe der Mitgliedsunternehmen und bieten selbst oder in Kooperation mit Partnern Weiterbildungsmaßnahmen. Die Idee, einen Verband der Sozialunternehmen zu gründen, findet daher auch in Belarus zunehmend Widerhall. Bei einer Umfrage im Rahmen des IV. Social Business Forums sprachen sich rund zwei Drittel der  Teilnehmenden für die Gründung einer solchen Interessenvertretung aus.

Am zweiten Tag rückte der Austausch über neue Techniken und kreative Methoden in den Mittelpunkt: In einer Podiumsdiskussion ging es zunächst um digitales Marketing und Onlineshops. Fundraising, Fast Marketing und die Vorteile von Co-Working waren danach Themen in den vier parallel laufenden Workshops. Über Kooperationsprojekte der Banken und neue möglichen Nischen für Sozialunternehmen im Gesundheits- und Sozialwesen berichteten schließlich Victoria Barisevich von der Belagroprombank und Taisiya Eletskikh vom Bevölkerungsfonds der UN (UNFPA) in Minsk.

Vernetzungsveranstaltung unter Pandemie-Bedingungen

Das IV. Forum der Sozialunternehmen in Belarus war die erste große Vernetzungsveranstaltung, die im Rahmen des Förderprogramms Belarus unter Pandemie-Bedingungen angeboten werden konnte. Ursprünglich im Hybrid-Format geplant musste das Forum kurzerhand noch zur reinen Video-Konferenz umdeklariert werden. „Wir sind froh, dass wir die Veranstaltung online anbieten konnten, nachdem sie schon im vergangenen Jahr ersatzlos abgesagt werden musste“, sagt IBB-Referentin Aksana Yankovich.

Die Organisation des Forums erfolgte durch das IBB in Dortmund in Zusammenarbeit mit der Organisation der Vereinten Nationen in Belarus, der Schule „Soziales Unternehmertum“, der Stiftung „Dobra“, dem Office for Democratic Belarus (ODB) Brüssel und dem Zentrum für Erwachsenen- und Kindererholung „Eco-Life“.

Weitere Informationen über das Förderprogramm Belarus finden Sie hier.