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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

Klasse 9a der Gesamtschule Haspe erkundet Wanderausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung“ in Dortmund

Klasse 9a der Gesamtschule Haspe erkundet Wanderausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung“ in Dortmund

„Ist heute nicht der 18. März? Schaut mal, dieses Foto wurde genau heute vor 78 Jahren aufgenommen!“ Die Schülerinnen und Schüler der Klasse 9a der Gesamtschule Haspe aus Hagen hatten am Freitag, 18. März 2022, genau hingeschaut auf die Tafeln der Wanderausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung“. Bis Sonntag, 20. März 2022, wurde sie im Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund gezeigt. Die Jugendlichen aus Hagen waren die letzte Schulklasse, die die Ausstellung in Dortmund als außerschulischen Unterrichtsort nutzen konnte.

Bei ihrem Projekttag im Rahmen einer mehrmonatigen Unterrichtsreihe zum Thema Nationalsozialismus beschäftigten sich die Jugendlichen intensiv mit den sieben geschilderten Biografien, die beispielhaft für die verschiedenen Opfergruppen aus Deutschland, Österreich, Tschechien und der damaligen Sowjetunion stehen. Mindestens 60.000 Menschen wurden an diesem Ort, damals wenige Kilometer südlich von Minsk gelegen, in den Jahren 1942 bis 1944 ermordet – neben Juden auch Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene.

Zuvor hatten sich die Jugendlichen schon intensiver mit Zeitzeugenberichten beschäftigt. Doch von Malyj Trostenez, dem größten Vernichtungsort auf damals sowjetischem Boden, hatten sie bisher noch nichts gehört. Nun erfuhren sie, dass Deportationszüge unter anderem aus Düsseldorf und Köln zuletzt direkt nach Malyj Trostenez gerollt waren, um die Insassen dort zu ermorden.

Darija Fabijanic, Referentin für internationale historische Projekte in der IBB gGmbH Dortmund, weckte in ihrer Einführung die Neugier der Jugendlichen. Fotos: IBB Dortmund – Mechthild vom Büchel

Darija Fabijanic, Referentin für internationale historische Bildungsprojekte im IBB Dortmund (IBB gGmbH), hatte mit ihrer Einführung Fragen aufgeworfen und das Interesse der Jugendlichen geweckt. Die Rettung von 130 Schülerinnen und Schülern aus Köln durch ihren Schulleiter Erich Klibansky, der später selbst in Trostenez ermordet wurde, war so ein Anknüpfungspunkt an die Lebenserfahrung der 14- bis 16-Jährigen. Die österreichische Initiative IM-MER, mit gelben Schildern an Bäumen an die Ermordeten zu erinnern, ein anderer. So motiviert gingen die Jugendlichen in die Ausstellung, hörten die vertonten Berichte, schauten Videos, betrachteten Karten und lasen die Texte.

„Wir haben heute viele neue Wörter und Begriffe kennengelernt“, sagte ein Neuntklässler am Ende nachdenklich. Gaswagen. Enterdung. Minen. Diese Begriffe wollten erst einmal verstanden werden. Warum konnte man in einem Gaswagen nicht einfach die Türen von innen öffnen und dem sicheren Tod entkommen? Warum wurden die Massengräber in der so genannten Enterdungsaktion noch einmal geöffnet? Warum lagen hochempfindliche Sprengkörper im Boden? Und wie konnten Menschen planvoll so grausam handeln? Geschichtslehrerin Anke Georges musste viele Fragen beantworten und spannte auch einen Bogen zum Umgang miteinander an einer Schule mit Jugendlichen aus 60 Nationen. Gewalt sei keine Lösung. Krieg sorge immer auch für eine Verrohung und Entmenschlichung. „Immer, wenn ein Mensch einen Menschen tötet, tötet er die Menschlichkeit“, ergänzte einer ihrer Schüler.

Spannender als ein Schulbuch: Bei ihrem Projekttag schauten die Schülerinnen und Schüler genau hin, deuteten und diskutierten die Informationen und machten sich viele Notizen.

Die Jugendlichen arbeiteten konzentriert, machten sich Notizen und waren sich am Ende einig: „Über diesen Vernichtungsort müssen mehr Menschen etwas erfahren!“ Sie wollen ihre Eindrücke in Vorträgen und Präsentationen in der Schule vermitteln und sich noch eingehender mit dem Nationalsozialismus beschäftigen – auch wenn dies schmerzhaft ist, wie jenes Foto, das auf den Tag genau 78 Jahre vor dem Ausstellungsbesuch der Jugendlichen im kleinen Dorf Osaritschi im heutigen Belarus aufgenommen worden war. Dort hatte die Wehrmacht auf ihrem Rückzug 1944 eines von insgesamt drei Notlagern errichtet, um Alte und Schwache sterben zu lassen. Das Foto, aufgenommen am 18. März 1944, zeigt die dreijährige Tanja, die auf schneebedecktem Boden neben ihrer toten Mutter kniet.

Auswertungsrunde nach dem Ausstellungs-Besuch mit Geschichtslehrerin Anke Georges.

Am Sonntag, 20. März 2022, endete die Ausstellung im Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund. Als virtuelle Ausstellung steht sie unter www.trostenez.org zur Verfügung. Wer die Ausstellung gern buchen möchte, kann sich am besten per E-Mail an Darija Fabijanic wenden.

Über den Vernichtungsort Trostenez:
Trostenez war der größte Vernichtungsort in Belarus während der deutschen Besatzungszeit von 1941 bis 1944. Zwischen 50.000 und 206.500 Menschen wurden dort getötet, verscharrt, später exhumiert und verbrannt. 1941 und 1942 wurden mehr als 22.000 Juden aus Berlin, Bonn, Bremen, Düsseldorf, Frankfurt, Köln und Hamburg, sowie aus Theresienstadt und Wien nach Minsk und Trostenez deportiert. Sie hatten die Illusion, dass die nationalsozialistische Führung ihnen dort die Möglichkeit geben würde, eine neue Existenz aufzubauen. Die Namen wurden mit großer Genauigkeit in Listen verzeichnet. In Minsk angekommen wurde die Mehrzahl der Deportierten jedoch mit wenigen Ausnahmen sofort getötet.

Die Wanderausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung“ war bis zum 20. März 2022 in Dortmund im Museum für Kunst und Kulturgeschichte zu sehen. Sie kann nun für neue Ausstellungsorte gebucht werden.

Die Träger der Ausstellung sind:

Die zweisprachige Wanderausstellung (deutsch/ russisch) wurde am 8. November 2016 erstmals in Hamburg eröffnet.

Weitere Informationen finden Sie hier.