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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

Mehr als nur Behindertenwerkstätten: Studienreise vermittelte tiefen Einblick in soziales Unternehmertum

Mehr als nur Behindertenwerkstätten: Studienreise vermittelte tiefen Einblick in soziales Unternehmertum

Einen umfassenden Überblick über das soziale Unternehmertum in Deutschland gewann eine hochrangig besetzte Delegation aus Belarus vom 13. bis 18. Mai 2018 in Berlin und Brandenburg. Die Studienreise hatte das IBB Dortmund im Rahmen des Förderprogramms Belarus organisiert. In mehreren Ministerien und Sozialunternehmen lernten die 15 Gäste aus Belarus die Chancen und besonderen Ansprüche der Sozialunternehmen in Theorie und Praxis kennen und erfuhren: Marktwirtschaft und Solidarität stehen keineswegs im Widerspruch zueinander. Soziales Engagement  und der Wunsch nach einem angemessenen Einkommen sind durchaus vereinbar – und werden sogar vom Staat gefördert.

Nach einer Einführung durch das IBB Dortmund und die Begrüßung durch Denis Sidorenko, Botschafter der Republik Belarus in Deutschland, am Sonntag. 13. Mai 2018, war die erste Station am Montag das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Berlin. Staatssekretär Dr. Ralf Schmachtenberg begrüßte den ersten stellvertretenden Minister für Arbeit und Sozialschutz in Belarus, Andrei Lobovich, und gab eine allgemeine Einführung ins Thema.

Unser Foto zeigt die Gäste hinter den Seminartischen stehend mit Staatssekretär Dr. Ralf Schmachtenberg, der die Gäste am Montag, 14. Mai 2018,. im Bundesministerium für Arbeit und Soziales begrüßt hatte.

Staatssekretär Dr. Ralf Schmachtenberg begrüßte die Gäste am Montag, 14. Mai 2018, im Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Sozialunternehmen haben in Deutschland eine jahrhundertelange Tradition. Schon Adolph Kolping und Friedrich Wilhelm Raiffeisen gründeten Betriebe, bei denen nicht die Gewinnmaximierung im Mittelpunkt stand, sondern die Lösung drängender gesellschaftlicher Probleme. Seit einigen Jahren gewinnt das soziale Unternehmertum in Deutschland und weltweit vermehrt an Bedeutung. Soziale Unternehmen beschränken sich dabei längst nicht nur auf die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung. Die Arbeitsgebiete sind weit gefächert, die Geschäftsideen meist innovativ sowie gemeinwohlorientiert und bei der Auswahl der Mitarbeiter stehen neben der Inklusion von Menschen mit Behinderungen auch die Bedarfe anderer sozialer Gruppen im Fokus.

So lernte die Delegation in Berlin und Brandenburg Sozialunternehmen kennen, die wie die Schankhalle Pfefferberg in der Gastronomie ihre Nische gefunden haben, wie „Der Steg“ ein differenziertes Hilfsangebot für Menschen mit psychischen Problemen aufgebaut haben oder wie das Unternehmen Auticon die besonderen Fähigkeiten von Autisten für Lösungen in der IT-Branche nutzen.

Das Technologie-Netzwerk Berlin e.V. (TechNet Berlin) hat sich auf Forschung und Beratung zum sozialen Unternehmertum spezialisiert und zählt Kommunen, Vereine und Unternehmen zu seinen Kunden. Vorstandsvorsitzende Heike Birkhölzer konnte daher einen guten Gesamtüberblick über die Ansätze sozialer solidarischer Ökonomie in Deutschland geben.

Weitere Stationen waren das Social Impact Lab, das Firmen bei der Suche nach Fördermitteln unterstützt, und FAF, das Kompetenzzentrum für Inklusionsbetriebe und soziale Unternehmen in Berlin, das soziale Unternehmen von der Gründungs- bis zur Wachstumsphase begleitet.

Im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend informierte Dr. Claire Bortfeldt vom Referat „Freie Wohlfahrtspflege und soziale Arbeit“, warum der Staat die Vielfalt der Sozialunternehmen unterstützt und wie sich die Investitionen für Staat und Gesellschaft bezahlt machen – etwa durch die Einsparung von Sozialleistungen und durch den Rückfluss von Steuergeldern. Sabine Döhmer, im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zuständig für Grundsatzfragen der nationalen und europäischen Mittelstandspolitik, ergänzte, mit welchen Maßnahmen der Staat versucht, optimale Rahmenbedingungen für Soziale Unternehmen in Deutschland zu schaffen.

Da soziale Unternehmen nicht gewinnorientiert arbeiten bzw. den erzielten Gewinn in ihre Weiterentwicklung oder in gemeinnützige Projekte reinvestieren, werden die meisten sozialen Unternehmen in Deutschland in besonderen Rechtsformen geführt wie der eingetragenen Genossenschaft (eG), der gemeinnützigen GmbH (gGmbH), der gemeinnützigen Aktiengesellschaft (gAG) oder der noch jungen gemeinnützigen Unternehmergesellschaft (gUG). Nach einer aktuellen Untersuchung gibt es aktuell rund 40.000 bis 70.000 Sozialunternehmen im weiteren Sinne und rund 1.700 Sozialunternehmen im engeren Sinne in Deutschland.

Im Sozialministerium des Landes Brandenburg informierte sich die Delegation über staatliche Fördermodelle für soziale Unternehmen.

Einen Eindruck von Sozialunternehmen abseits der Hauptstadt gewannen die 15 Gäste aus Belarus schließlich in Brandenburg an der Havel beim Besuch des Stadtteilcafés Miteinander, das den Stadtteil mit Angeboten zur sozialen Vernetzung attraktiver machen will. Im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Bundeslandes Brandenburg in Potsdam stellte Dr. Volker Offermann zudem spezielle Förderprogramme und Unterstützungsangebote des Landes vor. „Wir wollten einen Eindruck vermitteln vom breiten Spektrum, in dem soziale Unternehmen heute in Deutschland tätig sein können und auch deutlich machen, welche Rolle staatliche Förderinstrumente dabei spielen “, sagte Dr. Astrid Sahm, Geschäftsführerin des IBB Dortmund. Neben Gehalts- und Investitionszuschüssen spielt dabei die Finanzierung von Beratungsangeboten eine zentrale Rolle. Denn damit erhält der Staat die Gewissheit, dass ein gefördertes Unternehmen mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich arbeitet und folglich die bewilligten Zuschüsse auch die gewünschte Wirkung erzielen.

Die Teilnehmer an der Studienreise hatten sich am Ende ein neues Bild gemacht vom sozialen Unternehmertum in Deutschland. Die Eindrücke dieser Studienfahrt werden beim Forum am 28. Juni 2018 im größeren Kreis vorgestellt und in weiteren Arbeitstreffen erörtert. Bis zum 4. Sozialen Forum in Minsk am 1. und 2. November 2018 sollen erste konkrete Vorschläge erarbeitet werden, mit welchen neuen rechtlichen Instrumenten der belarussische Staat soziale Unternehmen gezielter fördern könnte.

Das Beitragsfoto oben zeigt die Gruppe nach dem Besuch im Social Impact Lab am Donnerstag, 16. Mai 2018.

Weitere Informationen über das Förderprogramm Belarus finden Sie hier.