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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

Premiere gelungen: IBB gGmbH organisiert erstes internationales Seminar in Moldau „Digitale Geschichtsprojekte in Zeiten von Krisen und Krieg“

Premiere gelungen: IBB gGmbH organisiert erstes internationales Seminar in Moldau „Digitale Geschichtsprojekte in Zeiten von Krisen und Krieg“

Zum ersten Mal hat das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk gGmbH in Dortmund einen internationalen Workshop in der Republik Moldau ausgerichtet. 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Polen, der Ukraine, der Republik Moldau und Deutschland trafen sich vom 10. bis 13. August 2022 in der Hauptstadt Chişinău zu einem intensiven Austausch über „Digitale Geschichtsprojekte in Zeiten von Krisen und Krieg“.

Die zentrale Frage des Workshops: Welche Rolle können innovative digitale Methoden und Formate spielen bei der Vermittlung der Geschichte des Zweiten Weltkriegs – gerade in Zeiten, da unterschiedliche Interpretationen der Vergangenheit wieder eine wichtige Rolle spielen und Feindbilder bewusst geschürt werden?

Darija Fabijanic, Referentin für internationale historische Bildungsprojekte im IBB Dortmund, Sergiu Musteata von ANTiM, dem Nationalen Verband junger Historiker der Republik Moldau, und Viktoria Naumenko vom Institut für soziale Strategien und Initiativen Ukraine, begrüßten Interessierte, die sich in Universitäten, Schulen, Medien, Museen und NGO professionell für eine lebendige Erinnerungskultur engagieren.

Lisa Schank vom Zentrum Topographie des Terrors eröffnete das Seminar mit einer Reflexion über den eigenen Blick auf die Geschichte und der Frage, wie eine transnationale Zusammenarbeit in der Erinnerungsarbeit gefördert werden kann. Marie-Louise Jansen und Olivia Durand vom Contested Histories Netzwerk präsentierten als virtuelle Gäste das globale Mapping Projekt, das umstrittene historische Erinnerungsgüter digital sammelt und multiperspektivisch analysiert. So berichteten sie über das Jedwabne Pogrom Memorial und das Denkmal der Dankbarkeit für die Rote Armee in Polen. Als weitere Beispiele nannten sie aktuelle Diskussionen um die Umbenennung von Straßennamen in der Ukraine. Aber nicht nur an konkreten Erinnerungsorten entzünden sich immer wieder Diskussionen, sondern auch an unterschiedlichen Perspektiven auf die Geschichte: Wie zum Beispiel unterscheidet sich die Einstellung zum Nationalismus in Ost- und Westeuropa und wo verbreiten sich Narrative über die Sowjetunion eher als „Befreier“ oder „Besatzer“?

Das Foto zeigt Beispiele für eine innovative Geschichts-Vermittlung wie Graphic Novels und Comics..

Geschichte vermittelt in Comics oder Graphic Novels: Einige Beispiele gibt es bereits.

Am zweiten Seminartag ging es schwerpunktmäßig um innovative digitale Formate in der internationalen Geschichtsvermittlung: Kann man geschichtliches Wissen in Comics oder auf Plattformen wie TikTok vermitteln? Svitlana Telukha, Historikerin aus Charkiw, hatte in ihrem Input-Vortrag besonders die Grenzen zwischen Storytelling und Oral History herausgearbeitet. Wo Chancen und Grenzen liegen, zeigte sie an konkreten Beispielen aus der Geschichtswerkstatt Tschernobyl in Charkiw, aus dem Projekt Voices und dem Museum der Kriegskindheit. Maximilian Lütgens, Mitarbeiter in der Bildungsabteilung der Gedenkstätte Dachau, stellte den Ort und die Gedenkstätte Dachau vor und erzählte, wie die Bildungsabteilung bedingt durch Corona sehr schnell auf digitale Angebote umstellen musste. So entwickelte die Gedenkstätte zahlreiche virtuelle Touren, die nun auch unabhängig von einem Besuch der Gedenkstätte für die schulische wie außerschulische Bildungsarbeit zur Verfügung stehen. Neuerdings ist die Gedenkstätte zudem auf dem bei Jugendlichen sehr beliebten Kurzvideo-Kanal TikTok aktiv. Im Anschluss konnten die Teilnehmenden die verschiedenen digitalen Lernangebote in Gruppenarbeit selbst testen.

Unser Foto zeigt die Teilnehmenden am internationalen Workshop "Digitale Geechichtsprojekte in Zeiten von Krisen und Krieg"

Pause während der Stadtbesichtigung auf den Spuren der jüdischen Vergangenheit.

Irina Sihova, Gründerin und Leiterin des Forschungszentrums „Maghid“, führte anschließend durch Chişinău. Sie ging besonders auf das jüdische Erbe der Stadt ein und führte unter anderem zum Denkmal für das 1941 errichtete Ghetto in Chişinău (Foto oben). Dabei gab sie auch gleich ein Beispiel für neue digitale Formate, denn die besuchten Stationen sind in einem so genannten Audio-Walk von Centropa beschrieben und können somit ebenfalls ortsunabhängig für die Erinnerungsarbeit mit Jugendlichen und Erwachsenen genutzt werden.

Anna Rejman-Ganczewska vom polnischen Partner KARTA eröffnete den dritten Seminartag mit einem Vortrag, wie man digitale Formate möglichst nachhaltig bewirbt. Dabei legte sie den Fokus vor allem auf Social Media -Plattformen. Bei allen Werbemaßnahmen sei hier die visuelle Gestaltung besonders wichtig. Gute Videos und Fotos seien der Schlüssel zum Erfolg online.

Tatiana Magaleas, Lehrerin und Gründerin der Lernplattform History.md, erklärte anschaulich, dass es nicht viel braucht, um historischen Bildungs-Content zu produzieren. So erstellt sie nur mit Hilfe ihres Ehemanns Videolektionen, die auf YouTube bereits rund 1,3 Millionen Aufrufe generieren konnten und rund 11.000 Abonnenten begeistern.

Als weiteres Best-Practice-Beispiel stellte Darija Fabijanic das Digital History Network vor. „„Ziel unserer Plattform ist es, verschiedene digitale Projekte zusammenzubringen, um einen interkulturellen und multiperspektivischen Dialog anzuregen.“

Igor Cașu, Direktor des moldauischen Nationalarchivs, gab einen Einblick in den Digitalisierungsprozess seines Hauses. Er ging besonders darauf ein, welche Dokumente digital zur Verfügung stehen und präsentierte als Beispiel eine Kollektion, die bisher noch wenig erforscht ist und die Möglichkeit gibt, die Situation in Moldau während des Zweiten Weltkriegs besser zu verstehen.

In einer abschließenden Fishbowl-Diskussion ging es schließlich um zukünftige Kooperationen in der Erinnerungsarbeit. Die Teilnehmenden konstatierten, dass es Idee, Passion und Zusammenhalt braucht, um trotz knapper Fördermittel und mancher Widerstände gute Kooperationen und Projekte durchzuführen. Sie wollen nun weiter in Kontakt bleiben.

Das Foto zeigt den übergroßen Schriftzug I love Chisinau, der offenbar ein beliebtes Fotomotiv in der Hauptstadt der Republik Moldau ist.

Ein beliebtes Fotomotiv in der Hauptstadt der Republik Moldau.

Am Ende der Veranstaltung waren alle erschöpft, aber auch froh, nach der langen Zeit der Pandemie endlich wieder eine Offline-Veranstaltung besuchen zu können, bei der viele Diskussionen in den Kaffeepausen weiter vertieft werden konnten.

Der internationale Workshop wurde organisiert vom IBB Dortmund in Kooperation mit Partnern aus dem Digital History Network. Das Auswärtige Amt fördert das Projekt, das gemeinsam mit dem Nationalen Verband junger Historiker der Republik Moldau, dem Institut für soziale Strategien und Initiativen Ukraine und dem KARTA-Zentrum Polen realisiert wird.

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