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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

Siegerehrung im Oral-History-Wettbewerb: „Wichtige Impulse für eine europäische Erinnerungskultur“

Siegerehrung im Oral-History-Wettbewerb: „Wichtige Impulse für eine europäische Erinnerungskultur“

Eduard Chvojnickij , Aleksandr Bandik und Viktor Schadurskij sind die drei Sieger im ersten Oral-History-Wettbewerb, den das IBB Dortmund und die IBB „Johannes Rau“ Minsk im März 2017 mit Unterstützung des Auswärtigen Amts ausgeschrieben hatten. Am Dienstag, 19. Dezember 2017, erhielten sie ihre Siegerurkunden bei der Abschlusskonferenz mit mehr als 100 Teilnehmern in der IBB „Johannes Rau“ in Minsk. Vor der Auszeichnung tauschten sich alle Jugendlichen gemeinsam mit ihren Pädagogen an einer Zukunftswerkstatt zur weiteren Gestaltung von Erinnerungskultur aus. An der Konferenz nahmen auch Vertreter der Deutschen Botschaft sowie des nationalen Zentrums für Umwelt und Landeskunde des belarussischen Bildungsministeriums teil.

„Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass wir der Opfer gedenken können“, sagte Dr. Astrid Sahm, Geschäftsführerin des IBB Dortmund, bei der Siegerehrung in Minsk. Alle Fotos: IBB „Johannes Rau“ Minsk – Anton Surapin

Die beiden Schüler und der Student haben in ihren ausgezeichneten Arbeiten bisher unbekannte Biografien von Ermordeten nachgezeichnet. Viele Spuren führen auch in das Vernichtungslager Malyj Trostenez. „Diese Arbeiten vertiefen auf sehr berührende Weise unser Wissen über die Verbrechen während der deutschen Besatzungszeit“, sagte Dr. Astrid Sahm, Geschäftsführerin des IBB Dortmund. „Die Beiträge geben damit wichtige Impulse für eine europäische Erinnerungskultur. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass wir der Opfer gedenken können, indem wir ihnen ein Gesicht geben. In diesem Sinne hoffen wir, dass viele junge Menschen es den Wettbewerbsteilnehmern gleichtun und uns dabei unterstützen, weitere Lebensgeschichten von belarussischen NS-Opfern für die Nachwelt zu sichern.“

Maja Krapina, eine der letzten Überlebenden des Minsker Ghettos, gratulierte den Siegern und bedankte sich bei den Teilnehmern.

Die Siegerehrung erfolgte im Beisein von Maja Krapina, einer der letzten Überlebenden des Ghettos Minsk, die den Teilnehmern ihren Dank aussprach, dass junge Menschen nun aufschreiben, was viele Ältere nicht in Worte fassen konnten. Aus den Händen der internationalen Jury erhielten die Sieger Urkunden und die Einladung zu einer gemeinsamen Bildungsreise Ende Februar 2018 nach Deutschland.

Der Neuntklässler Eduard Chvojnickij hat in seiner Arbeit „Erinnere dich an diejenigen, die von Legenden umwoben sind“ den Lebensweg der Widerstandskämpferin Larisa Korenevskaja nachgezeichnet. Sie war in Trostenez ermordet worden.

Der Zehntklässler Aleksandr Bandik hatte für seinen Beitrag „Die neuen Seiten der Geschichte des Ghettos von Tscherven“, mehrere Schicksale bisher noch wenig bekannter Opfer des früheren Ghettos an seinem Heimatort recherchiert.

Viktor Schadurskij, Student an der BSU Minsk, hatte in seiner Arbeit „Die Tragödie meiner Familie in der Tragödie des Volkes“ seine Familiengeschichte aufgearbeitet und besonders die Lebenswege von Familienangehörigen nachgezeichnet, die in Trostenez ermordet worden waren.

Die Geschichtswerkstatt „Leonid Lewin“ Minsk hatte im Laufe des Jahres 2017 eigens Methodenseminare angeboten für Interessierte in Minsk und den ländlichen Regionen von Belarus. Die Resonanz war beeindruckend: Mehr als 100 Beiträge hatten Jugendliche, Studierende und Erwachsene bis Ende Oktober zur Teilnahme am ersten Oral-History-Wettbewerb eingereicht. Die Teilnehmer hatten Fotos und historische Dokumente gesichtet, in Büchereien, Familien- und Staatsarchiven geforscht, Zeitzeugen befragt und ihre Ausarbeitungen teilweise sogar mit Audio- und Filmaufnahmen ergänzt.

Die Bewertung nahm eine unabhängige Jury vor, der Historiker und Geschichtsinteressierte aus Belarus, der Ukraine, Russland und Deutschland angehörten. Die besten Werke werden nun nach und nach übersetzt und im elektronischen Zeitzeugenarchiv der Geschichtswerkstatt „Leonid Lewin“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Anlass für den ersten Oral-History-Wettbewerb war die Eröffnung der Wanderausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung“ in Minsk zum  25. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Belarus. Die Macher der deutsch-belarussischen Ausstellung hatten festgestellt, dass in Belarus vergleichsweise wenig über die Opfer der NS-Zeit bekannt ist. Der Wettbewerb sollte Schüler und Studenten ermutigen, Schicksale bisher unbekannter Opfer zu erforschen und für die Nachwelt zu sichern.

Weitere Informationen über die Arbeit der Geschichtswerkstatt „Leonid Lewin“ in Minsk finden Sie hier. 

Weitere Informationen über die Initiative für eine würdige Gedenkstätte Trostenez finden Sie hier.