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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

Unsere Europa-Kolumne 2: Ein Leben als Europäerin

Unsere Europa-Kolumne 2: Ein Leben als Europäerin

Teodora ist jung, gebildet und kommt aus Bulgarien. In Deutschland versucht sie, über Ländergrenzen hinweg ein Familienleben zu führen. Vorurteile bekämpft sie mit Humor und kulturellem Austausch.

Teodora Yankova wird am Schwarzmeer, 2250 Kilometer entfernt vom Ruhrgebiet, in Warna, der drittgrößten Stadt Bulgariens geboren, wo sie ein Gymnasium besucht, das sich auf erweiterten Spracherwerb spezialisiert hat. Ihr Schwerpunk ab der fünften Klasse: Deutsch. Das Programm: Sprache, Landeskunde, Geschichte.

Anschließend belegt sie an der Universität in Sofia Europastudien. Obwohl die junge Frau immer wieder von Bekannten hört, dass Deutsche zwar höflich, aber distanziert seien, entscheidet sie sich kurz vor dem Ende ihres Studiums, ein Erasmussemester in Saarbrücken zu absolvieren. Heute, so sagt sie, wisse sie, dass es sehr wohl auch gastfreundliche und hilfsbereite Deutsche gebe.

Mehr internationale als bulgarische Freunde

Teodora auf dem Weg zur Arbeit bei der Auslandsgesellschaft NRW e.V.: Kultureller Austausch ist mittlerweile ihr Beruf und ihre Leidenschaft.

Teodora auf dem Weg zur Arbeit bei der Auslandsgesellschaft NRW e.V.: Kultureller Austausch ist mittlerweile ihr Beruf und ihre Leidenschaft. Foto: Chantal Stauder

Teodora nimmt während ihres Studiums an drei Programmen für Jugendbegegnungen der EU teil. In Camps in Zypern, Spanien und Mazedonien trifft sie auf junge Menschen aus ganz Europa. Die Jugendbegegnungen stellen ihr Bild von anderen Nationalitäten komplett auf den Kopf. Vermeintlich nationale Eigenheiten entpuppen sich als Vorurteile und Klischees.

Mittlerweile hat die 26-Jährige mehr internationale als bulgarische Freunde. Sie strahlt: „Ich habe eins gelernt: Man darf nicht darauf hören, was andere sagen. Man muss unbedingt seine eigenen Erfahrungen und sich selbst ein Bild machen.“ Die Bulgarin ist so begeistert, dass kultureller Austausch ihre Leidenschaft wird. „Man erlebt so eine intensivere Zeit. Diese Erfahrungen vergisst man nicht, weil man sie im aus erster Hand direkt von der Quelle sammelt.“

Das Bild der Armutsmigration im Kopf

Teodora arbeitet heute für die Auslandsgesellschaft NRW e.V. in Dortmund und führt seitdem ein europäisches Familienleben: Ihre Schwester lebt in London, ihre Eltern in Bulgarien. Teodora nutzt die Freizügigkeit und pendelt. Teodora weiß, dass nur wenige ihre Lebensrealität nachempfinden können.

Auf diese Weise Europäer zu sein, gehört nicht zur Erfahrungswelt vieler. Sie fragt sich, ob vielleicht auch deswegen so viele Menschen missverstehen, worin Integration besteht. „Integration bedeutet nicht, zu vergessen, wo man herkommt und wer man ist. Erfolgreiche Integration bedeutet, sich in beiden Umgebungen gleichermaßen zuhause fühlen und identifizieren zu können.“

Was lernen Deutsche über Bulgarien?

Die 26-Jährige rät zu Erfahrungen aus erster Hand: Es sind Vorurteile zu glauben, dass Bulgaren arm und Deutsche distanziert und kalt seien.

Die 26-Jährige rät zu Erfahrungen aus erster Hand: Es sind Vorurteile zu glauben, dass Bulgaren arm und Deutsche distanziert und kalt seien. Foto Chantal Stauder

Wenn Menschen hören, dass sie aus Bulgarien kommt, bringen viele die Bilder, die sie in den Nachrichten sehen, mit ihr in Verbindung. „Das Bild, das viele haben, ist das von der Armutsmigration.“

In einem Vorstellungsgespräch wird sie gefragt, was sie meinen würde, warum so viele Bulgaren und Roma nach Deutschland kommen und welche Bedingungen geschaffen werden müssten, damit sie fernbleiben. Teodora denkt an ihre Freunde, die arbeiten, Pharmazie oder Medizin studiert haben. Sie weiß, es ist ein Vorurteil, zu denken, alle, die nach Deutschland kommen, seien arm. Ihre Realität besteht aus anderen Fakten.

Für Teodora steckt hinter dem Interesse vieler Bulgaren Neugierde. Deutschland und andere europäische Länder sind in vielen bulgarischen Sprachgymnasien Gegenstand des Schulunterrichts. Umgekehrt ist das eher selten der Fall. „Wenn man Deutsche nach Bulgarien fragt, erschöpfen sich die Kenntnisse oft mit dem Schlagwort ‚ehemaliger Ostblock‘. Meist wird das ‚ehemalige‘ dabei noch vergessen“, so Teodora.

Vorurteile, die Deutsche nicht kennen

Als Bulgarin ist sie in ihrem deutschen Alltag manchmal mit Vorurteilen konfrontiert. Peinlichkeiten, über die sie trotzdem lachen kann. „Menschen machen mir zum Beispiel manchmal sehr komische Komplimente. Sie sagen: Sie sind viel zu hübsch für eine Bulgarin.“

Andere wundern sich, warum sie so gut Deutsch sprechen könne. Etwas, das Deutschen in der Form in Bulgarien eher nicht passieren würde. Ermutigend fügt sie hinzu: „Deutsche können sich geehrt fühlen, dass andere Menschen ein solches Interesse an ihrem Land zeigen. Sie könnten Vorbild dafür sein, wie man Leute willkommen heißt.“

Chantal Stauder