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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

Unsere Europakolumne 3: Hilf anderen und du hilfst dir selbst

Unsere Europakolumne 3: Hilf anderen und du hilfst dir selbst

Nach der Finanzkrise zieht der Italiener Daniele Nubile nach Bochum und krempelt dort sein Leben um. Er wechselt von der lukrativen Informatik in die internationale Jugendarbeit. Dort findet er Sinn in seiner Arbeit und sich selbst.

Daniele Nubile ist in Rom aufgewachsen, hat Technische Informatik studiert und arbeitet als Programmierer. Eigentlich ein sicherer Job. Doch sein Leben in Italien reicht ihm nicht. Als Teilnehmer des Europäischen Freiwilligendienstes (EWS) geht der Römer ein Jahr auf den Balkan und organisiert dort Jugendbegegnungen. Im Ausland empfindet er mehr Freiheit, sieht mehr Möglichkeiten und beginnt, sich zu einer politischen Person zu entwickeln. Die internationale Arbeit ist Daniele wichtig. Sie stiftet Sinn und hilft ihm, Sinn zu sehen.

Portrait Daniele Nubile

„Europa kann vom Ruhrgebiet lernen, offener zu sein.“ Foto: Chantal Stauder

In Italien habe ich mich ganz anders verhalten. Im Ausland war es selbstverständlicher, mich mitzuteilen – persönlich und beruflich. „Früher war mein Englisch noch nicht so gut, trotzdem habe ich bei den Jugendbegegnungen mehr über Leute herausgefunden als in all den Jahren in Italien“, so Nubile. „In Italien wusste ich, welche Vorstellung die Leute von mir hatten und welche Erwartungen sie an mich stellten“, so der heute 35-Jährige. Er sagt, die internationale Jugendarbeit habe ihn sehr verändert: „Ich bin eine bessere Person geworden. Toleranter, offener, verständnisvoller und näher an den Menschen. Ohne die EU wäre ich vielleicht immer noch in Italien, würde nicht so viel Reisen und hätte keinen internationalen Freundeskreis.“ Als Tutor und Mentor kümmert er sich nach seiner Zeit auf dem Balkan in Rom für drei Jahre um europäische Freiwillige. „Einmal hatte ich während meiner Ausbildung einen Auslandsaufenthalt im polnischen Breslau. Dort besuchte ich ein Restaurant mit einer Rumänin und wir aßen Sushi. Wir saßen als Ausländer in einem dritten Land und haben etwas Asiatisches gegessen. Das Gefühl des Abends war: Es gibt keine Grenzen.“

Junge Menschen haben die Antworten

Im Jahr 2014 zieht Nubile nach Bochum und beginnt für das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund zu arbeiten. Dort setzt er sich dafür ein, dass Jugendliche mit Behinderung und finanziell benachteiligte junge Menschen aus dem Ruhrgebiet reisen können. Daniele sagt: „Junge Leute haben die Antworten, aber sie sind noch nicht so klar für sie selbst.“ Das kann bei Projekten, an denen er arbeitet, ganz konkret zum Beispiel so aussehen, dass beteiligte Organisation hierzu eine Gruppe von Jugendlichen und Politikern abstellen, die sich zusammensetzen, um das gesellschaftliche Leben bei sich zuhause zu verbessern. Jugendliche recherchieren auf lokaler Ebene, was ist das größte Problem unserer Gesellschaft? Etwa: Wir haben kein sauberes Wasser. Das Problem wird im Anschluss auf eine internationale Ebene gehoben und mit Jugendlichen aus anderen Ländern diskutiert, um eine Lösung zu erarbeiten. Die entwickelte Strategie können die Jugendlichen dann zuhause anwenden, um das ursprüngliche Problem zu lösen.

Eine europäische Verfassung könnte ein Anfang sein

Bei diesen Projekten werden ganz bewusst auch Länder wie Belarus (Weißrussland) beteiligt, die nicht oder noch nicht in der Europäischen Union sind, um Verständnis füreinander zu fördern. Daniele erklärt: „Ein Problem Europas ist, dass die Qualität der Lebensbedingungen von Menschen in verschiedenen Ländern immer noch so unterschiedlich ist“, so Nubile. Manchmal hat er das Gefühl, es gebe in Europa zwei Unionen: Griechenland, Spanien, Italien einerseits und das „gute Europa“ andererseits. Der 35-Jährige fragt sich, warum es zum Beispiel während der Finanzkrise keine Solidarität zwischen den Ländern oder Institutionen gegeben hat: „Es wurde zu viel über Geld und zu wenig über Menschen geredet. Ich verstehe das nicht, auch weil Leute da gestorben sind, weil sie zum Beispiel kein Geld für Medizin hatten. Das steht der Grundidee von Europa entgegen.“ Daniele sagt, eine europäische Verfassung könne ein Anfang sein, um die Probleme auszugleichen, die durch verschiedene Lebensrealitäten entstehen. Aus seiner Sicht blockieren nationale Interessen diesen Schritt. „Europa kann vom Ruhrgebiet lernen, offener zu sein. Ich fand die große Solidarität der Bochumer, die ich beim Refugee-Strike (Anm. d. Redaktion: eine Bochumer Flüchtlingsgruppe setzt sich dort selbstorganisiert für ihre Rechte als Geflüchtete ein) gesehen habe, sehr beeindruckend.“