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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

„Zeitzeugengespräche sind ein Höhepunkt für jeden aufmerksamen Zuhörer“

„Zeitzeugengespräche sind ein Höhepunkt für jeden aufmerksamen Zuhörer“

Eine Papstaudienz und der Besuch im Europa-Parlament in Brüssel – das waren die Höhepunkte der Europäischen Aktionswochen „Für eine Zukunft nach Tschernobyl und Fukushima“ im Jahr 2016. In diesem Jahr haben die Aktivitäten leiser und weniger spektakulär begonnen. Wir sprachen mit Martina Faseler, Koordinatorin der Europäischen Aktionswochen „Für eine Zukunft nach Tschernobyl und Fukushima“  beim IBB Dortmund, über die Aktivitäten 2017 und den Blick in die Zukunft.

Frage: 2016 – so scheint es –  jagte ein Höhepunkt den nächsten. Besonders die Papstaudienz und die Konferenz im Europäischen Parlament haben einen tiefen Eindruck hinterlassen bei allen Beteiligten und Beobachtern. Wie kann die Arbeit nach solchen herausragenden Events eigentlich weitergehen?

Martina Faseler: 2016 war wirklich ein besonderes Jahr – für die Trägerkreise und für uns im IBB Dortmund als Organisatoren und Koordinatoren: Zum 30. Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl und zum fünften Jahrestag von Fukushima haben wir alle  erdenklichen Kräfte mobilisiert, um gemeinsam unglaublich viele Aktivitäten zu ermöglichen. Wir haben gemeinsam so viel geschafft wie nie zuvor. Und besonders die Papstaudienz im April war für die Liquidatoren, die stellvertretend für die vielen Hunderttausend Betroffenen dabei waren, ein ganz bewegender Moment, eine Wertschätzung von herausragender Bedeutung. Allerdings merkte man in einigen Trägerkreisen eine gewisse Erschöpfung.

Frage: Inwiefern?

Martina Faseler: Die ganze Organisation im Hintergrund bei den Trägerkreisen ist schon ziemlich aufwändig. Nicht nur bei uns im IBB Dortmund, die wir die Zeitzeugen vermitteln, Trägerkreise unterstützen, Veranstaltungen organisieren und  die Öffentlichkeitsarbeit koordinieren. Auch bei den ehrenamtlichen Machern laufen viele Fäden zusammen. Da werden Schirmherren gesucht, Veranstaltungsräume gebucht, Sprecher verpflichtet, Zeitzeugengespräche und viele Medientermine koordiniert. Einige Trägerkreise brauchten 2017 erst einmal eine Verschnaufpause, um neue Kräfte zu sammeln.

Frage: Wie geht es denn nun 2017 weiter?

Faseler: Interessant ist in diesem Jahr die intensive Zusammenarbeit und der Austausch der Trägerkreise untereinander. So wird die Ausstellung „Das Kreuz von Tschernobyl und Fukushima –Der Strich der Natur ist zerbrochen“, die im vorigen Jahr vom Trägerkreis Soest gezeigt wurde, in diesem Jahr in der Region Braunschweig gezeigt. Der Trägerkreis Fundaja Sedlaka aus Polen hat ein Video von der Europa-Filmpremiere des japanischen Films „The Seal of the Sun“ produziert – übrigens mit Untertiteln in englischer und japanischer Sprache. Der Zusammenschnitt wiederum kann auch von allen Trägerkreisen genutzt werden zum Beispiel als Einstieg zu Diskussionsrunden. Das sind schöne Beispiele der Zusammenarbeit und Kooperation untereinander.

Frage: Was ist der Beitrag des IBB Dortmund?

Martina Faseler: Wir haben sieben Zeitzeugen aus der Ukraine und 18 Zeitzeugen aus Belarus vermittelt, die wieder für Gespräche zur Verfügung stehen. Uns ist es wichtig, dass die Erinnerung wachgehalten wird vor allem an die Katastrophe von Tschernobyl. Wir wissen heute, dass die Liquidatoren durch ihren Einsatz dort Schlimmeres verhindert haben. Wir wissen durch viele Untersuchungen auch ziemlich genau, welche Nachwirkungen Tschernobyl bis heute hat und noch weiter haben wird. Für die Region Fukushima kann man daraus vieles lernen. Wir möchten möglichst viele Menschen erreichen, um das Bewusstsein wachzuhalten, dass nach Katastrophen von diesem Ausmaß nicht der Urzustand wiederhergestellt werden kann.  Als belastbare Alternative werden an vielen Orten auch erneuerbare Energien zum Thema gemacht, die als Energie in Bürgerhand ganz neue Perspektiven für eine nachhaltige Energieversorgung eröffnen.

Frage: Was sind die Höhepunkte der Europäischen Aktionswochen in diesem Jahr?

Martina Faseler: Für jeden, der Gelegenheit hat, ihnen zuzuhören, werden die Zeitzeugengespräche ganz besondere Höhepunkte sein. Außerdem haben unsere Partner wieder einige Großveranstaltungen geplant: Zum Beispiel am 24. April im Europäischen Solidarność-Zentrum in Danzig, das Tschernobyl-Fest am 26. April 2017 in Budweis, mehrere große Zeitzeugengespräche in Großbritannien und eine ganze Reihe von Veranstaltungen in Österreich und Deutschland. Außerdem feiert  die Geschichtswerkstatt Tschernobyl in Charkiw in der Ukraine am 24. April 2017 ihren fünften Jahrestag. Aus diesem Anlass wird Oleg Veklenko, früherer Liquidator und Design-Professor, sein jüngstes Buch „Tschernobyl – Skizzen vom Ort des Geschehens“ veröffentlichen. Und die Geschichtswerkstatt wird weitere Zeitzeugenberichte veröffentlichen.

Frage: Inzwischen dürfte es sich herumgesprochen haben, dass die Zeitzeugen gern Schulklassen besuchen. Wird dieses Angebot gern wahrgenommen?

Martina Faseler: Viele Schulen haben gute Erfahrungen mit den Zeitzeugengesprächen gemacht, denn sie können einen Bogen spannen von den physikalischen Grundlagen der Stromerzeugung allgemein über Fragen von Klimaschutz und Nachhaltigkeit zur ethischen Diskussion einer Technik und eines Lebensstils. Aus vielen Rückmeldungen wissen wir, dass die Begegnung mit Zeitzeugen bei den Schülerinnen und Schülern noch lange nachwirken.

Vielen Dank für das Gespräch.

Ausführliche Informationen über die Europäischen Aktionswochen finden Sie hier.