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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

IBB startet Initiative für eine neue Gedenkstätte in Belarus

IBB startet Initiative für eine neue Gedenkstätte in Belarus

Während in Deutschland rund 8 Millionen Zuschauer am vergangenen Wochenende noch den aktuellen ZDF-Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ verarbeiteten, widmete sich eine internationale Konferenz in Minsk der Aufarbeitung von fast  vergessenen NS-Massakern in Belarus. Die  Konferenz „Der Vernichtungsort Trostenez in der europäischen Erinnerung“ vom 21. bis 24. März 2013 in Minsk hatten das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk Dortmund (IBB Dortmund) und die IBB „Johannes Rau“ in Minsk organisiert.

Internationale Konferenz in Minsk diskutiert Entwurf eines neuen Mahnmals

Leonid Lewin, belarussischer Künstler und Architext, stellte seinen Entwurf für das Mahnmal „Der Weg des Todes“ vor.

„Wir brauchen eine gemeinsame Gedenkstätte“, betonte Peter Junge-Wentrup,  Geschäftsführer des IBB Dortmund in Minsk, bei der Konferenzeröffnung. Leonid Lewin, Künstler und Architekt bedeutender Mahnmale, stellte auf der Konferenz seinen Entwurf für die neue Gedenkstätte vor. Historiker berichteten den Stand der Forschung. Rund 200 Menschen – darunter Zeitzeugen sowie Historiker und interessierte Laien aus Deutschland, Belarus, Tschechien und Österreich – verfolgten aufmerksam Vorträge und Diskussionen.

Trostenez – drei Schauplätze grausamer Massaker an Juden aus Europa

Hinter dem Begriff Trostenez verbergen sich gleich drei Schauplätze von Massenmorden während des Zweiten Weltkriegs: Der Wald von Blagowschtschina,  in dem Zahntausende Juden erschossen und in 34 Gruben verscharrt wurden, die Ortschaft Schaschkowka, in der eine Grube mit einem Krematorium eingerichtet wurde, und eine niedergebrannte Scheune auf dem eigentlichen Gut Malyj Trostenez, die ebenfalls zu einem Massengrab von mehreren Tausend Juden wurde.

Ihren Entwurf für eine Gedenkstätte präsentierten die Architekten Anna Aksjonowa, Leiterin des Minsker Instituts für Landschaftsgestaltung, und Leonid Lewin, Architekt von Weltruhm, der unter anderem das bekannte Mahnmal von Chatyn entworfen hat. „Wir dürfen die Zukunft nicht mit unserer Erinnerungslosigkeit beschreiten. Diese Gedenkstätte müssen wir jetzt bauen“, sagte der Vorsitzende des Verbandes der jüdischen Gemeinden in Belarus, selbst ein Überlebender des Holocaust.

Matthias C. Tümpel und Manfred Zabel legten einen Kranz nieder am Mahnmal im Wald von Blagowschtschina.

Engagierte Diskussionen rankten sich auf der Konferenz um die Opferzahlen. Nach dem aktuellen Stand der Forschung wurden mindestens 50 000 Menschen, möglicherweise aber auch sogar mehr als 200 000 Menschen in Trostenez ermordet und verscharrt. „Ich halte die Kontroverse um die Opferzahlen fast für makaber“, sagte Professor Manfred Zabel, Vorstandsmitglied des IBB Dortmund, in seinem Vortrag. „Hier wurden massenhaft Menschen ermordet, denen wir unser Gedenken schulden und das Versprechen: Nie wieder! Eine würdige Gedenkstätte wäre dafür ein Zeichen.“

Das ganze Ausmaß der Massaker tritt erst in jüngster Zeit ans Tageslicht. Der deutsche Journalist und Buchautor Jens Hoffmann berichtete von den Vertuschungsaktionen der SS-Einheiten, die in den Jahren 1943 und 1944 die Spuren ihrer Massenmorde durch Exhumierung und Verbrennung beseitigten. Der Minsker Historiker Dr. Kuzma Kosak, Leiter der Geschichtswerkstatt Minsk, beschrieb die Schwierigkeiten mit der Aufarbeitung in Belarus. Über die Deportationen der jüdischen Häftlinge aus Theresienstadt berichtete der tschechische Historiker Tomas Fedorovic, der bislang unbekannte Dokumente aus den Prager Archiven präsentierte. Sehr emotional war der Vortrag von Waltraud Barton aus Wien, Gründerin des österreichischen Vereins IM-MER, die selbst Familienangehörige in Trostenez verloren hat.

Rote Nelken erinnern an die Massaker im Wald von Blagowschtschina

Die ausländischen Gäste, unter ihnen auch Matthias C.Tümpel, der Vorsitzende des IBB Dortmund und der IBB „Johannes Rau“ in Minsk, hatten am Freitag, 22. März 2013, Blagowschtschina besucht und dort ein Gebinde roter Nelken niedergelegt vor einem kleinen Gedenkstein aus den 1960er Jahren. Außerdem nutzten die Gäste die Gelegenheit, an der Gedenkstunde zum 70. Jahrestag der Auslöschung des Dorfes Chatyn teilzunehmen.

Das Konzept der Gedenkstätte „Der Weg des Todes“

Der Entwurf für die neue Gedenkstätte von Leonid Lewin zeichnet den „Weg des Todes“ nach: Auf dem 500 Meter langen Weg vom symbolischen Sammelplatz zum Erschießungsort im Wald führt Lewin zukünftige Besucher durch stilisierte Waggonwände, auf denen die Namen von Tausenden Toten aus Deutschland, Österreich und anderen europäischen Staaten stehen. Im Zentrum der Gedenkstätte steht eine überlebensgroße Bronzefigur. Das Mahnmal soll das große „Paradox des 20. Jahrhunderts symbolisieren, den sinnlosen, willkürlichen Tod“ ungezählter Opfer, beschreibt es Leonid Lewin.

Weitere Informationen über die Initiative für eine würdige Gedenkstätte im Wald von Blagowschtschina finden Sie hier.