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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

Neue Seminarreihe im Projekt netcoops beginnt mit Online-Meeting zum Thema „Interkulturelle Kompetenz im Behördenkontext“

Neue Seminarreihe im Projekt netcoops beginnt mit Online-Meeting zum Thema „Interkulturelle Kompetenz im Behördenkontext“

Mit interaktiven Übungen und Arbeit in Kleingruppen begann am Mittwoch, 11. Mai 2022, die neue Seminarreihe im Langzeit-Projekt netcoops – europäische Fortbildung Asyl im Online-Format. Hildegard Azimi-Boedecker, Leiterin des Fachbereichs Beruf international und Migration im Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk e.V. in Dortmund (IBB e.V.), und Referentin Kirsten Ben Haddou begrüßten 14 Teilnehmende, die in staatlichen Institutionen und Nichtregierungsorganisationen (NRO) mit Geflüchteten und Zugewanderten arbeiten. Sie hatte gleich eine gute Nachricht: Das Projekt netcoops wird verlängert, so dass nun ein weiteres Online-Kooperationstreffen zum Schwerpunktthema Ukraine für August 2022 vorbereitet werden kann und für 2023 ein weiteres Kooperationstreffen voraussichtlich in einem Beneluxland.

Zur Einführung ins Thema richtete Referent Fahim Sobat, interkultureller Trainer aus Rosenheim, den Blick der Teilnehmenden zunächst einmal auf die Grundbegriffe und Konzepte. Was ist Kultur? Was sind Stereotype und Vorurteile? Denn für eine gelingende interkulturelle Kommunikation müssten zunächst einmal die eigenen Grundhaltungen bewusst gemacht werden.

Die jeweilige Kultur werde meist von Generation zu Generation überliefert und unterliege doch vielen, unter anderem auch staatlichen Einflüssen. Wie Mahlzeiten eingenommen werden, wie eine Hochzeit gefeiert wird und wie eine Beerdigung begangen wird – all dies sei eng mit der jeweiligen Kultur verbunden. Gleichzeitig spiele auch die jeweilige Stadt oder Region eine Rolle, in der eine Person aufwächst,  verdeutlichte Sobat gut nachvollziehbar am Beispiel der Art und Weise, wie unterschiedlich zum Beispiel Karneval gefeiert wird in Nordrhein-Westfalen, Hessen oder Bayern. Aber auch das politische System spiele eine nicht zu unterschätzende Rolle – wie sich nach der Machtübernahme durch die Taliban in Afghanistan gezeigt habe, aber auch in Deutschland am Beispiel der Wiedervereinigung: Die Deutschen diesseits und jenseits der Grenze hätten bis 1990 unterschiedliche Kulturpraktiken eingeübt, die selbst mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch immer den Alltag und Stereotype prägen. Kultur, so zitierte Sobat den niederländischen Sozialpsychologen Geert Hofstede, sei eine „‚mentale Software‘, die in einem Sozialisationsprozess kulturell ‚programmiert‘ wird.“ Hofstedes Modell der Kulturdimensionen zugrunde legend, können unterschiedliche Grundhaltungen unterschieden werden, die sich zum Beispiel eher auf eine kollektivistische Wir-Gruppen-Identität beziehen, was in arabischen und asiatischen Communities verbreitet ist, oder eher auf die Interessen eines Individuums wie in Westeuropa oder den USA. Dies habe weitreichende Folgen für die Art und Weise, wie kommuniziert wird und besonders auch darauf, was nicht ausgesprochen wird.

Bei der Interpretation von zwei Fotos, die in Gruppenarbeit erarbeitet wurde, zeigte sich schnell, dass nicht nur der Inhalt des Fotos eine Aussage transportiert – sondern auch die Haltung des Betrachtenden. Wird ein mutmaßlich zugewanderter Mann nur gleichgültig oder aufmerksam durch die jeweilige „professionelle Brille“ betrachtet? Sieht der Betrachtende in erster Linie eine potentielle Gefahr in der Person – oder – zum Beispiel als Mitarbeitender einer sozialen Hilfsorganisation – zuerst die dringende Notwendigkeit einer Hilfeleistung? Entsprechend dem Eisberg-Modell sei bei Begegnungen immer nur wie bei der Spitze eines Eisbergs die Oberfläche von Fakten sichtbar, verdeutlichte Sobat. Aktuelle Stimmungen, kulturelle Prägungen, Wertvorstellungen und Motivationen blieben dagegen unter der Oberfläche verborgen.

An solchen Beispielen erarbeitete die Gruppe, welche Rolle Stereotype spielen und wie sie zu Vorurteilen führen, die einen Austausch erschweren oder sogar unmöglich machen. Wer sein Gegenüber vorschnell beurteile, laufe Gefahr, Fehlurteile zu fällen, die gerade im beruflichen und behördlichen Kontext folgenreich sein können.

Fundiertes Hintergrundwissen könne helfen, vorschnelle Fehlurteile zu vermeiden, riet Sobat. Er empfahl, ständig im Austausch zu bleiben. „Lernen ist wie Rudern gegen den Strom. Wenn man aufhört zu rudern, treibt man zurück.“

Beim ersten Präsenz-Treffen am 19. und 20. Mai 2022 in Dortmund geht es um Folgen dieser grundlegenden Erkenntnisse für eine gelingende interkulturelle Kommunikation.

Das Projekt wird gefördert durch den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU.