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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

Die Wanderausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung“ ist bis zum 27. Juni 2023 in Erfurt zu sehen

Die Wanderausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung“ ist bis zum 27. Juni 2023 in Erfurt zu sehen

Die Wanderausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung“ ist zum ersten Mal wieder ohne Corona-bedingte Einschränkungen an einem Lern- und Gedenkort zu sehen. Bis zum 27. Juni 2023 wird sie in Erfurt in der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße gezeigt.

Zur Eröffnung am Donnerstag, 27. April 2023, sprachen Dr. Astrid Sahm, Geschäftsführerin der IBB gGmbH Dortmund, und Christian Werkmeister, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Ettersberg, die die Gedenkstätte Andreasstraße betreibt und die Sonderausstellung ermöglicht hat. „Die Entstehung einer identischen Ausstellung, die zeitgleich in Deutschland und Belarus gezeigt werden konnte, muss uns aus heutiger Sicht wie ein kleines Wunder erscheinen“, sagte Dr. Astrid Sahm in ihrer Ansprache. Malyj Trostenez, heute in einem Vorort von Minsk gelegen, war zwischen Frühjahr 1942 und Sommer 1944 die größte Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion. Die sowjetische Untersuchungskommission schätzte die Opferzahl im August 1944 auf 206.500 Tote. Die Ausstellung ist das Ergebnis eines 2014 begonnenen deutsch-belarussischen Pilotprojekts, an dem Historikerinnen und Historiker aus Deutschland, Belarus und weiteren Ländern gearbeitet hatten. Diese Art der internationalen Zusammenarbeit sei heute kaum noch denkbar. Vor dem Hintergrund von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine stelle sich noch stärker als früher die Frage, was Lernen aus der Geschichte heißt.

„Als Internationales Bildungs- und Begegnungswerk setzen wir dabei auf den Ansatz der multiperspektivischen Erinnerung, der versucht zeitgebunden die Perspektiven unterschiedlicher Akteure nachvollziehen zu können und damit die Verabsolutierung einer Perspektive vermeidet, was stets konfliktverschärfend wirkt.“

Waldtraud Barton, Gründerin der Initiative IM-MER aus Wien, ergänzte beim ersten Rundgang durch die Ausstellung interessante Hintergrundinformationen. Fotos: IBB

Waltraud Barton, Gründerin der Initiative IM-MER aus Wien, ergänzte beim ersten Rundgang interessante Hintergrundinformationen. Fotos: IBB

Dr. Claudia Kuretsidis-Haider, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands in Wien, führte anschließend in die Geschichte des Vernichtungsorts Trostenez ein. Sie hob hervor, wie wenige Jüdinnen und Juden die Deportationen aus Berlin, Bremen, Düsseldorf, Frankfurt, Köln, Hamburg, Theresienstadt und Wien überlebten. Die Menschen, die 1942 aus Köln und Wien direkt nach Malyj Trostenez transportiert wurden, wurden ohne jegliche Einweisung in ein Ghetto oder Lager unmittelbar am Ankunftstag ermordet. Gleichwohl ist die Geschichte des Ghettos Minsk und des Vernichtungsorts Trostenez erst in jüngerer Vergangenheit in Westeuropa bekannter geworden. Dr. Kuretsidis-Haider gab auch einen Einblick in die juristische Aufarbeitung in Deutschland und Österreich in der Nachkriegszeit und zeigte, mit welch vergleichsweise geringen Strafen die Verbrechen geahndet wurden. Die Historikerin wurde begleitet von Waltraud Barton von der Initiative IM-MER, die sich in Österreich für die Erinnerung an die in Malyj Trostenez ermordeten österreichischen Jüdinnen und Juden engagiert. Gestützt auf ihre persönlichen Erfahrungen verdeutlichte sie beim anschließenden ersten Rundgang die besondere Bedeutung des Vernichtungsorts, an dem mehr Wiener Jüdinnen und Juden als in Ausschwitz ermordet wurden, für die österreichische Gesellschaft.

Amelie von Eulenburg, die seinerzeit als Mitarbeiterin der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas aktiv an der Erarbeitung der Ausstellung beteiligt war, beschrieb die Herausforderungen in der internationalen Kooperation: So wurde insbesondere mit den belarussischen Partnern um viele Formulierungen gerungen, da der offizielle belarussische Geschichtsdiskurs nicht immer mit den Diskursen und dem Forschungsstand in Deutschland vereinbar war. Es bedurfte daher zweijähriger intensiver Arbeit, bis das Ergebnis feststand. Die Wanderausstellung erzählt beispielhaft die Schicksale von sieben Opfern aus Belarus, Deutschland, Österreich und Tschechien, die im Wald von Blagowschtschina in der Nähe von Minsk einen grausamen Tod fanden.

Sie wurde nach ihrer Eröffnung in Hamburg im November 2016 und in Minsk im März 2017 an mehr als 30 Orten in Belarus, Deutschland, Österreich, Tschechien und der Schweiz gezeigt. Seit Dezember 2021 steht sie zudem unter www.trostenez.org als virtuelle Ausstellung zur Verfügung.

Die Ausstellung ist in Erfurt dienstags und donnerstags von 12 bis 20 Uhr, mittwochs, freitags, samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr zu sehen in der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße, Andreasstraße 37a, in 99084 Erfurt.

Unser Foto oben zeigt einen Blick in den Ausstellungsraum in Erfurt.

Die Träger der Ausstellung sind:

Möchten Sie die Ausstellung ebenfalls in Ihrer Stadt zeigen? Nehmen Sie gern mit uns Kontakt auf am besten per E-Mail an Dr. Astrid Sahm oder Jannis Braun.

Weitere Informationen finden Sie hier.