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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

Fokus4-Fortbildung für Akteure in der (früh-) kindlichen Bildung: Kultursensible Kommunikation in KiTa und Schule

Manchmal klappt es einfach so gar nicht mit der Kommunikation an der Tür zur KiTa oder zum Klassenzimmer. Eltern fragen sich kopfschüttelnd: „Warum soll denn mein vierjähriges Kind zur Therapie?“ – und verstehen die Welt nicht mehr. Auf der anderen Seite des Schreibtischs verzweifeln Lehrkräfte, weil Drittklässler plötzlich tagelang unentschuldigt fehlen. Der systematisch durchorganisierte Alltag in Kindertageseinrichtungen und Schulen funktioniert mit unendlich vielen ausgesprochenen und unausgesprochenen Regeln und Ritualen. Besonders für (Neu-) Zugewanderte ist dieser Alltag zuweilen eine ziemliche Herausforderung. Was genau wird von den Kindern erwartet? Und wie werden die Eltern informiert? Kultursensible Kommunikation in KiTa und Schule stand daher im Mittelpunkt der jüngsten fokus4-Fortbildungen am 25. Mai und 1. Juni 2022. Das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk e.V. in Dortmund hatte sie für das Netzwerks „Lokal willkommen“ in Dortmund und für Akteure der frühkindlichen Erziehung aus Neumünster im Netzwerk des Kinderschutzbundes entwickelt und organisiert.

Erzieherisch Tätige aus Grund- und Förderschulen sowie Kindertageseinrichtungen berichteten von typischen Situationen, die auf ihrer Seite Fragen aufwerfen. Klare Zu-Bett-Geh-Zeiten? Werden flexibel gehandhabt. Pünktlich zur Schule erscheinen? Nicht immer. Schere und Bastelmaterial mitbringen zur geplanten Bastelstunde? Leider nicht möglich. Die vielen kleinen Ärgernisse erschweren den Alltag und bergen Konfliktpotenzial. Dabei verstehen sich Kindertageseinrichtungen und Schulen längst als Horte der Chancengleichheit, die allen Kindern gute Zukunftsperspektiven eröffnen möchten. Doch wenn es diese Art von Reibungsverlusten gibt, scheitert die Integration, beklagte ein Teilnehmer.

Fahim Sobat, interkultureller Trainer aus Rosenheim, erarbeitete mit den Teilnehmenden daher Kommunikationsstrategien für die kultursensible Arbeit mit Kindern und Familien aus Drittstaaten. Er sensibilisierte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für das Eisbergmodell, dem zufolge bei Begegnungen nur ein geringer Teil der Persönlichkeit und Prägungen erkennbar ist, während die aktuelle Gefühlslage und Erfahrungen aber häufig verborgen bleiben.

Gerade bei Neu-Zugewanderten spiele auch das Phasen-Modell der Migration eine wichtige Rolle: Auf die erste Euphorie über die geglückte Flucht aus Kriegs- oder Krisengebieten folge häufig eine Phase der Niedergeschlagenheit, die sich auch auf Seiten der Kinder zum Beispiel durch Erschöpfungszustände, Essstörungen oder auch durch Trauer und Wut bemerkbar machen kann.

Hinzu kommt, dass Vorstellungen über Familienstrukturen, Erziehungsstile und erlernte Rollenmuster abhängig vom jeweiligen Herkunftsland, dem eigenen Bildungsstand und manchmal auch der Herkunftsregion sehr unterschiedlich sein können. Auch dies erweist sich dann in Gesprächen als unsichtbare Barriere.

Fahim Sobat verdeutlichte deshalb besonders die Unterschiede zwischen individualistisch und kollektivistisch geprägten Kulturen. Auch wenn Rollenmuster ständig im Wandel seien, habe dies doch Auswirkungen auf die Art der Kommunikation. Die unvermittelt sachorientierte und effizienzorientierte Kommunikation, die hierzulande auch in Bezug auf Kinder- und Erziehungsfragen üblich ist, werde in anderen Kulturen als mindestens befremdlich gewertet, wenn nicht sogar als aggressiv. In kollektivistisch geprägten Kulturen wie etwa im arabischen und asiatischen Raum dagegen werde eher indirekt kommuniziert – was hierzulande wieder falsch verstanden werden könne. In kollektivistisch geprägten Kulturen seien Hilfsbereitschaft und Gehorsam wichtige Erziehungsziele ebenso wie der Respekt vor den Älteren. Selbstständigkeit und Selbstbestimmung dagegen seien aus dieser Sicht eher zweifelhafte Erziehungsziele.

Fahim Sobat verdeutlichte am Beispiel verschiedener Herkunftsregionen, welche Auswirkungen die jeweilige kulturelle Prägung auf Erziehungsziele hat – und wie dies im Einzelfall die Kommunikation an der Tür zur Kindertageseinrichtung oder zum Klassenzimmer beeinflusst. Allerdings, so Sobat, müsse auch hier stets in Vielfältigkeit und gegen Stereotype gedacht werden, zumal sich die Kommunikationsstile und Vorstellungen auch in den Familien Zugewanderter aktuell gerade veränderten.

Und nicht nur die kulturelle Prägung spiele eine Rolle, sondern auch der eigene Aufenthaltsstatus. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten aus ihren eigenen Erfahrungen Beispiele beisteuern. Wenn Eltern in der drängenden Sorge leben, ob sie in den kommenden Tagen abgeschoben werden, bleibe einfach kaum Aufmerksamkeit für den Beitrag zum Klassenausflug oder die Bastelschere. Schule und ihre Anforderungen würden dann nicht prioritär gesehen. Zudem befinden sich die Neuzugewanderten oftmals noch in einer prekären finanziellen Lage, insbesondere, wenn nur   Unterstützung aus dem Asylbewerberleistungsgesetz gewährt wird. So können sich Eltern oftmals schlicht diese Ausgaben nicht leisten, wissen anderseits nicht immer, wo es gegebenenfalls Zuschüsse gibt.

Für alle, deren Aufenthaltsstatus gesichert ist, seien daher zudem Informationen in den Herkunftssprachen hilfreich, in denen beispielsweise erklärt wird, warum Kindertageseinrichtungen auch Sprachtests durchführen und Kindern unter Umständen eine Sprach- oder Ergotherapie empfehlen. Das Netzwerk „Lokal willkommen“ in Dortmund schöpft inzwischen auch aus dem Pool der ehrenamtlichen Sprachmittlerinnen und Sprachmittler wie z.B. aus den „Sprint“-Programmen, die Hintergründe erläutern. Das gute Beispiel könnte bald Nachahmung finden. Denn ein solches Netzwerk, so fanden die Teilnehmenden, könne hilfreiche Dienste leisten.

Weitere Informationen über das Projekt fokus4 finden Sie hier.

Interessieren Sie sich für eine Fortbildung zum kulturspezifischen Umgang mit körperlichen und seelischen Krankheiten in Ihrer Einrichtung? Nehmen Sie mit uns Kontakt auf unter fokus@ibb-d.de.