
Baubeginn an der Geschichtswerkstatt „Leonid Lewin“ Minsk.
Die Geschichtswerkstatt „Leonid Lewin“ Minsk wird 22 Jahre nach ihrer Gründung mit finanzieller Förderung aus Deutschland rekonstruiert und erweitert. Zum Jahrestag der Auflösung des Minsker Ghettos am 21. und 23. Oktober 2025 soll sie voraussichtlich wiedereröffnet werden. Die Geschichtswerkstatt „Leonid Lewin“ Minsk wird damit als modernes Bildungs- und Forschungszentrum zur Geschichte des Holocausts und anderer NS-Verbrechen in Belarus gesichert.
Das Gebäude, ursprünglich in typisch belarussischer Holzbauweise errichtet und erstmals um 1900 urkundlich erwähnt, befindet sich am Rande des früheren jüdischen Friedhofs. Während der deutschen Besatzung war das Wohnhaus mit Werkstatt Teil des Ghettos Minsk. Von Juli 1941 bis Oktober 1943 waren mehr als 100.000 Menschen im Minsker Ghetto interniert. Bis auf wenige Ausnahmen wurden die Ghettoinsassen von den deutschen Besatzern ermordet.

Der Keller des Gebäudes war nur über eine Leiter zugänglich. Während der deutschen Besatzungszeit diente er Jüdinnen und Juden als Versteck.
Im März 2003 gelang es, in diesem historischen Gebäude die Geschichtswerkstatt als Ort der gemeinsamen Erinnerung einzurichten. Die Geschichtswerkstatt wurde in den folgenden Jahren zu einem zentralen Treffpunkt für Überlebende des Holocaust und ihre Nachkommen. Im Dialog zwischen Überlebenden und Studierenden, Forschenden und Freiwilligen gelang es, verloren geglaubte Fotos und Dokumente zu sichern. Viele Berichte von damals Verfolgten sind heute im virtuellen Zeitzeugenarchiv öffentlich zugänglich. Das Team der Geschichtswerkstatt hat zudem Bücher, Videos, Ausstellungen und Lernmaterialien erarbeitet, die über die Grenzen von Belarus hinaus von Schulen und Universitäten genutzt werden.

Balken aus der ursprünglichen Holzkonstruktion wurden gesichert und nummeriert.
Erst seit März 2020 ist das Gebäude im Besitz der Internationalen Bildungs- und Begegnungsstätte „Johannes Rau“ Minsk. Sie gestaltet den Lern- und Erinnerungsort in enger Kooperation mit der IBB gGmbH Dortmund und dem Verband der jüdischen Organisationen und Verbände in Belarus. Nach dem Erwerb konnte die lange überfällige Sanierung und Erweiterung in Angriff genommen werden. Bevor der erste Spatenstich getan werden konnte, mussten unzählige Anträge gestellt, viele Hürden überwunden und hohe Anforderungen erfüllt werden. Etwa 20 Behörden der Stadt Minsk waren in das Genehmigungsverfahren involviert.

Mit der Unterstützung von Archäologen wurden mehrere Fundstücke aus dem früheren Keller-Versteck systematisch erfasst für eine spätere Ausstellung in der Geschichtswerkstatt „Leonid Lewin“ Minsk.
Seit Herbst 2024 wird das fast 100 Jahre alte Haus von Grund auf erneuert und dabei selbst respektvoll als ein Exponat behandelt. In enger Abstimmung mit Architektin Galina Lewina und Alexander Dalhouski, stellvertretender Leiter der Geschichtswerkstatt, wurden erhaltenswerte, wiederverwertbare Baumaterialien wie Ziegelsteine und Holzbalken für den späteren Wiederaufbau nummeriert und eingelagert.
Im Dezember 2024 wurde der über 100 Jahre alte Keller freigelegt, der bisher nur über eine Leiter zugänglich war und daher kaum genutzt wurde. Während der deutschen Besatzungszeit von 1941 bis 1944 hatten sich in diesem Keller Jüdinnen und Juden versteckt. Die Mitarbeitenden der beteiligten Baufirmen fanden noch Spuren des Verstecks: Zerbrochene Teller, Flaschen, Besteck und Werkzeuge konnten nach Rücksprache mit Archäologen für eine spätere Ausstellung gesichert werden. Zudem soll auch das Versteck im Untergeschoss in Zukunft als Ausstellungsraum genutzt werden können. Für die fernere Zukunft ist eine neue Dauerausstellung angedacht.
Die Bauaufsicht für die aufwändige Rekonstruktion und Erweiterung liegt in den Händen der Minsker Architektin Galina Lewina, der Tochter des Ausnahme-Künstlers und Mitgründers der Geschichtswerkstatt Minsk, Leonid Lewin.
Über das Minsker Ghetto:
Das Minsker Ghetto existierte vom 20. Juli 1941 bis 23. Oktober 1943. Ein Stadtbezirk in Minsk wurde durch die deutschen Besatzungstruppen komplett abgeriegelt. Die jüdische Bevölkerung sowie andere verfolgte Personengruppen und später auch Deportierte aus Westeuropa wurden unter menschenverachtenden Bedingungen interniert. Bis zu 100.000 Menschen lebten zeitweise in diesem Ghetto. Nur wenige haben überlebt.
Weitere Informationen über die Geschichtswerkstatt „Leonid Lewin“ Minsk finden Sie hier.