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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

„HistoryLab: Memory Projects for Education“ vergibt Preisgeld an fünf digitale Projekte für eine europäische Erinnerungskultur

„HistoryLab: Memory Projects for Education“ vergibt Preisgeld an fünf digitale Projekte für eine europäische Erinnerungskultur

Zehn Teams aus Deutschland, Polen, der Ukraine und der Republik Moldau hatten von Freitag, 23. September, bis Sonntag, 25. September 2022, im HistoryLab intensiv online an ihren digitalen Ideen zur Geschichtsvermittlung gearbeitet. Am Ende gab es ein großes Lob für die fast 30 Teilnehmenden: „Der fruchtbare Austausch miteinander sowie mit Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Feldern macht uns alle zu Gewinnern!“, sagte Darija Fabijanic, Referentin für internationale historische Projekte im IBB Dortmund, die das internationale „HistoryLab: Memory Projects for Education“ gemeinsam mit Partnern organisiert hatte. Das ausgelobte Preisgeld in Höhe von jeweils 3.500 Euro erhielten am Ende:

  • Urban Archive für das Projekt „Die Straße des Ringelblum Archivs“ (Polen),
  • Art Oborona für das Projekt „Spirits of the KhODA“ (Ukraine),
  • Vinnitsa für das Projekt „Die Geschichte Kriegsgefangener des Zweiten Weltkriegs in der Region von Winnyzja“ (Moldau),
  • Memorium für das Projekt „Vom katholischen Friedhof zum sowjetischen Andenken“ (Ukraine) und
  • Other Side für das Projekt „Die andere Seite der Verfolgung. Selbstzeugnisse aus dem 19. und 20. Jahrhundert neu gedacht“ (Deutschland).

Diese fünf Teams können ihre Ideen nun in den kommenden Monaten mit Unterstützung des Preisgeldes weiterentwickeln. Im Dezember sollen die Ergebnisse auf der Website www.about-history.info veröffentlicht werden.

Die ausgewählten Projekte ergänzen die historischen Narrative mit ihren digitalen Formaten um neue Zugänge und Perspektiven. Ziel ist jeweils die Beleuchtung eines Themas aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs aus unterschiedlichen Perspektiven. Historische und aktuelle Fotos, Filmsequenzen und Berichte sollen auf innovative Weise der breiten Öffentlichkeit und der Forschung zugänglich gemacht werden.

So soll zum Beispiel das Foto-Material des seinerzeit geheimen Ringelblum-Untergrund-Archivs im Warschauer Ghetto anhand einer digitalen Karte und der persönlichen Geschichte eines Bewohners präsentiert werden. Die Bedeutung des Archivs wird damit erstmals einer internationalen Öffentlichkeit digital zugänglich gemacht und gleichzeitig wird die Erinnerung für die heutigen und künftigen Einwohnerinnen und Einwohner von Warschau gesichert.

Diese Grafik veranschaulicht, wie das Foto des früheren Verwaltungsgebäudes in Charkiw verschaltet wird, damit es zum Entdecken der Geschichte einlädt.

Die Fenster des kürzlich zerstörten Gebäudes der Regionalverwaltung in Charkiw verlinken auf der geplanten Website auf Fotos, Filme und Audiodateien, mit denen Interessierte die wechselvolle Geschichte des Baudenkmals erforschen können. (Screenshot)

Der Erinnerung an die große Epoche der Avantgarde-Architektur aus den 1920er und 1930er Jahren in Charkiw im Stil des Konstruktivismus und Klassizismus hat sich die Künstlergruppe Art Oborona verschrieben. Mit dem Preisgeld wird sie das Anschlussprojekt „Spirits of the KhODA“ realisieren. Es erinnert an das erst kürzlich im Krieg zerstörte, rund 100 Jahre alte Baudenkmal, in dem die Verwaltung von Charkiw ihren Sitz hatte. Auf der interaktiven Website kommen Menschen zu Wort, die dieses Gebäude mit erbaut, später dort gearbeitet haben oder auch dort inhaftiert waren. So soll die kollektive und teilweise unbequeme Erinnerung an die wechselvolle Geschichte des Hauses gesichert werden, dessen Wiederaufbau aktuell umstritten ist.

Unser Foto zeigt eine Statue auf dem zerstörten Friedhof in der Stadt Lutsk in der Ukraine, der Thema eines digitalen Erinnerungsprojektes werden soll. rden

Die wechselvolle Geschichte des zerstörten Friedhofs in Lutsk in der Ukraine soll multimedial erzählt werden. Foto: Screenshot

Die Geschichte des zerstörten, ursprünglich katholischen Friedhofs in Lutsk (Ukraine), der mehr als 13.000 Tote verschiedener Opfergruppen und Nationalitäten in seinem Boden vereint, erzählt das Projekt des Teams Memorium anhand von archäologischen Funden und biografischen Spuren. Hierzu soll eine Datenbank mit biografischen Spuren der rund 13.000 Menschen aufbereitet werden, die auf diesem Friedhof bestattet wurden. Und den Blick auf sowjetische Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg, die nach ihrer Rückkehr teilweise als Verräter behandelt wurden, will das Projekt „Winnyzja“ verändern: Dazu wird das Team aus der Republik Moldau einen Teil der etwa 3000 Akten von ehemals sowjetischen Kriegsgefangenen in einer Online-Datenbank digital zugänglich machen. Damit soll sowohl den eigenen Nachkommen aus auch der geschichtswissenschaftlichen Forschung Einblick in die Akten ermöglicht werden. Das Projekt „Die andere Seite“ (Deutschland) schließlich veröffentlicht auf einer Website Selbstzeugnisse von Menschen, die im 19. und 20. Jahrhundert in Europa verfolgt wurden.

Drei Tage lang hatten die Teams intensiv an ihren Ideen gearbeitet, begleitet von Moderatorin Marta Gawinek-Dagargulia aus Warschau. Unterstützt wurden die Teams von zehn Mentorinnen und Mentoren aus den vier teilnehmenden Ländern, die ihre Erfahrungen und Kenntnisse mit Filmprojekten, Webdesign, Programmierung, Öffentlichkeitsarbeit und Geschichtsdidaktik zur Verfügung stellten. Dabei gab Kuratorin Anna Desponds auch den dringenden Rat, möglichst immer wieder nach dem Warum zu fragen (5-Why-Prinzip), um dadurch stärker die Zielgruppe und das Projektziel zu präzisieren. Und immer wieder wurde die Frage diskutiert, wie die Ergebnisse der mühevollen Detailarbeit langfristig gesichert werden können. Anna Yatsenko, Kulturmanagerin der ukrainischen NGO „After Silence“ gab den Teilnehmenden den Hinweis: „Make it simple, don’t simplify“. Es sei wichtig, eine einfache Botschaft bei der Öffentlichkeitsarbeit zu haben, um die eigene Zielgruppe zu erreichen. Dies heiße aber nicht, Dinge zu verkürzen oder zu verfälschen. Es gehe vielmehr darum, die Botschaft verständlich zu machen.

„Wir entdecken, schützen und verbreiten Geschichte aus der Perspektive des Einzelnen. Wir tun das so, dass die Vergangenheit zu einer Quelle des Verständnisses wird, eine Bürgergemeinschaft aufbaut und die Versöhnung unterstützt“, erklärte Agnieszka Kudelka von der Organisation KARTA. „So kann die Zukunft gesichert werden.“ Digitale Instrumente könnten helfen, mehr Menschen zu erreichen.

Durchgeführt wurde das Projekt vom Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund (IBB gGmbH Dortmund) in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Verband Junger Historiker der Republik Moldau, der NGO Institute of Social Strategies and Initiatives (Ukraine) und dem Karta Centre Fund (Polen). Das „HistoryLab: Memory Projects for Education“ wurde ermöglicht durch eine finanzielle Unterstützung des Auswärtigen Amtes.

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