
75 Jahre nach der Auflösung des Minsker Ghettos erinnerten Vertreter der Republik Belarus, Akteure der Erinnerungskultur, Diplomaten und Zeitzeugen in Minsk und Berlin an die systematische Judenvernichtung im größten Ghetto auf damals sowjetischem Boden. Die IBB Dortmund gGmbH war mit einem internationalen Forum am 23. Oktober 2018 in der IBB „Johannes Rau“ Minsk beteiligt. Dr. Astrid Sahm, Geschäftsführerin der IBB gGmBH, moderierte zudem einen Gedenkabend am 25. Oktober 2018 in der belarussischen Botschaft in Berlin. Minsker IBB-Vertreter nahmen zudem am 22. Oktober 2018 an der zentralen öffentlichen Gedenkveranstaltung mit Außenminister Makej an der damaligen Erschießungsgrube, der Jama, an einem Runden Tisch im belarussischen Außenministerium sowie an weiteren Veranstaltungen teil.
Mehr als 100.000 Menschen wurden während der deutschen Besatzung von Belarus im Minsker Ghetto interniert und fast ausnahmslos ermordet. Nur wenige entkamen der systematischen Judenvernichtung. Heute leben nach offiziellen Informationen noch 79 frühere Ghetto-Insassen, 54 von ihnen in Minsk. Vom 21. bis 23. Oktober 1943 wurde das Ghetto aufgelöst.
Internationales Forum in der IBB „Johannes Rau“ Minsk zur Erinnerungskultur

Botschafter Peter Dettmar richtete ein Grußwort an die Teilnehmenden des Internationalen Forums in der IBB „Johannes Rau“ Minsk.
Mit der Zukunft der Erinnerung befassten sich Diplomaten, Holocaust-Überlebende, Historikerinnen und Historiker auf dem internationalen Forum zum 75. Jahrestag der Auflösung des Minsker Ghettos am Dienstag, 23. Oktober 2018, in der IBB „Johannes Rau“ in Minsk.
Gemeinsam veranstaltet mit dem Verband der jüdischen Organisationen und Gemeinden in Belarus, der Geschichtswerkstatt „Leonid Lewin“ Minsk und der IBB „Johannes Rau“ Minsk lenkte das internationale Forum den Blick auf den Stand der Forschung und die Zukunft der Erinnerungsarbeit.
Erinnerung an die systematische Judenvernichtung in Belarus
Zum Kreis der Teilnehmenden gehörten der israelische Botschafter Alon Shogham, Jacob Livne aus dem israelischen Außenministerium, Jacob Racek, Direktor des Goethe-Instituts in Minsk, der deutsche Botschafter Peter Dettmar sowie Sergey N. Shendik als Vertreter der Stadt Minsk und Eduard Valentuniwitsch als Vertreter des belarussischen Bildungsministeriums. Mit seinen persönlichen Erinnerungen führte David Taubkin die rund 100 Teilnehmenden aus Deutschland, Russland und Belarus ins Thema ein. Er war als Jugendlicher ins Ghetto gekommen und hatte nur durch einen glücklichen Zufall überlebt.
Einen Überblick über den Stand der internationalen und belarussischen Forschung zum Thema Trostenez gaben die Historiker Dr. Nati Kantorovich und Dr. Emmanuel G. Ioffe. Galina Lewina, Kulturbeauftragte des Verbandes der jüdischen Gemeinden und Organisationen in Belarus, berichtete über Probleme und Perspektiven der Holocaust-Erinnerung in Belarus. Dr. Inna Gerassimowa fokussierte ihren Vortrag auf die kritischen Fragen: Holocaust-Erinnerung wie? Und für wen?
Wo gibt es interessante Forschungsansätze zum Minsker Ghetto?
Nach den Impulsvorträgen wurde das Thema in Workshops vertieft: Wo sind noch Lücken im historischen Wissen? Wo gibt es Forschungsansätze? Und: Wie können Schulen und Museen die Erinnerung an die junge Generation vermitteln?
Besondere Aufmerksamkeit soll dem Schicksal der Opfer gewidmet werden, so die einhellige Meinung auf dem internationalen Forum. Dazu sollen insbesondere weitere Zeitzeugeninterviews aufgezeichnet und nach dem Vorbild des digitalen Archivs der Geschichtswerkstatt „Leonid Lewin“ Minsk der interessierten, vor allem der jungen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Um den Zugang zur Holocaust-Geschichte in Belarus zu erleichtern, sei die Gründung eines offiziell unterstützten Koordinierungszentrums wünschenswert: Ein Ort, an dem die Informationen zum Thema über einen längeren Zeitraum systematisiert und vervollständigt werden.
Doch nicht nur die räumliche und technische Verfügbarkeit von Informationen beschäftigte die Teilnehmenden am Forum: Um mit Jugendlichen „in das Thema einzutauchen“ wünschten sie sich eine stärkere Zusammenarbeit von Lehrkräften mit Museumsmitarbeitenden und die Erarbeitung museumsdidaktischer Materialien.
Forum beschließt eine Resolution an staatliche Stellen
Als Ergebnis aller Diskussionen wurde zum Abschluss des Forums eine Resolution angenommen, die eine Art Handlungsprogramm enthält. Die Resolution soll demnächst an die zuständigen Behörden verschickt werden.
Die Resolution finden Sie (in Kürze) hier.
Das internationale Forum wurde gefördert durch die Evangelische Kirche von Westfalen.
Buch über das Ghetto Minsk in englischer Sprache veröffentlicht
Im Anschluss an das internationale Forum begann in der Britischen Botschaft in Minsk ein Gedenkabend. Im Mittelpunkt stand die Präsentation der englischen Übersetzung des Buchs über das Minsker Ghetto „Wir erinnern uns! Unser Vermächtnis für die Welt“. Es fasst die Erinnerungen ehemaliger Gefangener des Minsker Ghettos zusammen, die dank der Übersetzung ins Englische nun in einem breiteren Informationsraum zugänglich sind.
Das Buch kann im Internet-Buchhandel bestellt werden und steht hier als pdf-Datei zur Verfügung.
- Das Publikum in der belarussischen Botschaft in Berlin dankt den Zeitzeuginnen.
- Ghetto-Überlebende Tatjana Vseljubskaja berichtet aus ihren Erinnerungen.
- IBB-Geschäftsführerin Dr. Astrid Sahm moderiert die Gedenkveranstaltung.
Gedenkabend in der belarussischen Botschaft in Berlin
Dr. Astrid Sahm, Geschäftsführerin des IBB Dortmund (IBB gGmbH), moderierte am Donnerstag, 25. Oktober 2018, einen Gedenkabend in der belarussischen Botschaft in Berlin. Zu den knapp 60 Gästen gehörten Vertreter des Auswärtigen Amtes, des Bundestages, des diplomatischen Korps, jüdischer Gemeinden und verschiedener Stiftungen. Denis Sidorenko, Botschafter der Republik Belarus in Deutschland, betonte die besondere Bedeutung der Bewahrung des historischen Gedächtnisses an die Opfer des Zweiten Weltkriegs, einschließlich der Opfer des Holocausts. Die Ghetto-Überlebende Tatjana Vseljubskaja und Dr. Inna Gerassimova, ehemalige Direktorin des Museums für Geschichte und Kultur der belarussischen Juden, gaben durch die Schilderung ihrer Erlebnisse sowie mit einigen historischen Fotos und Dokumenten eine Vorstellung vom Leben im Ghetto.
Weitere Informationen über die Arbeit der Geschichtswerkstatt „Leonid Lewin“ Minsk finden sie hier.