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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

Abschluss-Meetings im Projekt „Erinnern – inklusiv“: Mit Videos, Audios und Tastführungen Barrieren abbauen in Gedenkstätten

Abschluss-Meetings im Projekt „Erinnern – inklusiv“: Mit Videos, Audios und Tastführungen Barrieren abbauen in Gedenkstätten

Mit dringenden Appellen für eine inklusive Öffnung von Gedenkstätten und Erinnerungsorten endete das Projekt „Erinnern – inklusiv“ in zwei Online-Meetings am Donnerstag, 21. März 2024, ab 11 und ab 17 Uhr: „Es geht ja nicht nur um die Menschen mit sichtbaren Behinderungen“, sagte Linus Bade, einer der jüngsten Referenten, selbst betroffener Inklusions-Aktivist. „Es geht um viel mehr Menschen, denn etwa jeder zehnte in Deutschland ist schwerbehindert.“ Für alle, die nicht oder nicht gut sehen, hören, lesen oder gehen können, sollten Gedenkstättenbesuche zur Erinnerung an die NS-Zeit möglich sein, sagte er und fragte:

„Wer darf entscheiden, wer eine Gedenkstätte besuchen darf und wer nicht?“

Wie die Angebote einer Gedenkstätte erweitert werden sollten, um eine inklusive Öffnung zu erreichen, hatten die Workshop-Teams in den vergangenen 15 Monaten am Beispiel des ehemaligen Konzentrationslagers Stutthof untersucht und erste Prototypen entwickelt. Sie standen im Mittelpunkt der Präsentationen beim Abschluss-Meeting. Entstanden sind:

Die Workshops wurden dabei jeweils von zwei Personen mit und ohne Behinderung geleitet, die bei den beiden Abschlusspräsentationen auch von ihren Erfahrungen berichteten. „Es war viel Arbeit und es war sehr wichtig, dass wir mitarbeiten“, resümierte Hannah Kiesbye, Workshop-Leiterin mit Down-Syndrom, die die deutschen Audio-Files eingesprochen hat. „Es hat mir richtig viel Spaß gemacht.“

Kaja Lorenc, seit ihrer Geburt allmählich erblindet, hatte an allen drei inklusiven Gedenkstättenfahrten teilgenommen und die Tastführung initiiert und mit dem Team entwickelt: „Ich möchte einfach gern teilhaben an der Welt – aber konkrete Hinweise, was einen Gedenkstättenbesuch für Blinde besser macht, gibt es bisher meines Wissens in Polen noch nicht.“ So entstand neben der konkreten Tastführung eine Liste mit 20 Punkten, die auch an anderen Erinnerungsorten umgesetzt werden könnten. Ihr Tandem-Partner, ein deutschsprachiger Guide des Museums Stutthof, ließ keinen Zweifel: „Zu erfahren, was alles für Blinde fehlt, war für mich ein Schock-Erlebnis! Diese Begegnung hat mir die Augen und Ohren geöffnet! Wir brauchen unbedingt mehr Schulungen in dieser Hinsicht.“

„Es gab viele hohe Hürden im Museum und auch im Projekt“, sagte Annika Hirsekorn vom Projektpartner Schwarzberg e.V. Berlin: „Inklusive Projekte müssen unbedingt inklusiv, also zusammen mit Betroffenen, bearbeitet werden und dies kostet einfach Zeit und auch immer wieder Geld für Übersetzungen und Unterstützung!“ Die inklusive Zusammenarbeit sei von großer Bedeutung: „Es fehlt vor allem Hintergrundwissen über die vielfältige Gruppe der Gehörlosen“, bemerkte Marc Zaurov, tauber Historiker, der das Projekt „Erinnern – inklusiv“ im Juni mit einem Vortrag über die Geschichte der Gehörlosen in der NS-Zeit bereichert hatte. So müsse die Sicht der Hörenden auf taube Menschen verändert werden. Es sei den wenigsten Hörenden bewusst, dass die deutsche Gebärdensprache seit 2002 als eigenständige Sprache anerkannt ist, die polnische Gebärdensprache seit 2012, ergänzte Claudia Kermer. Videos in Gebärdensprache sollten immer auch von Muttersprachlern gebärdet werden.

„Wir haben auch für die Planung unserer neuen Ausstellung im Museum Stutthof sehr viel dazugelernt“, sagte Ewa Malinowska, Leiterin der Bildungsabteilung des Museums Stutthof. Zwar ist eine barrierefreie Gestaltung von Erinnerungsorten auch in Polen bereits Pflicht. Doch Barrieren, wie sie die bisher übliche Sprache in Ausstellungen enthält, oder auf welche Barrieren taube oder blinde Menschen in der Ausstellung oder auf dem Gelände stoßen, habe erst der Austausch im deutsch-polnischen Projekt deutlicher werden lassen.

Dolmetscherinnen und Dolmetscher für Gebärdensprache und Lautsprache sorgten in den beiden Meetings für eine gute Verständigung unter den jeweils rund 60 Teilnehmenden aus Deutschland und Polen.

„Dieses Projekt hat uns Grenzen überwinden lassen und es hat uns alle näher zusammengebracht“, resümierte Constanze Stoll, Projektkoordinatorin der IBB gGmbH Dortmund. „Es hat gezeigt: Inklusion ist ein Prozess. Sie dient allen Menschen. Und man kann jederzeit und überall anfangen.“ Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den beiden Online-Meetings bedankten sich für die bereichernden Erfahrungen und drückten die Hoffnung aus, dass die Prototypen viel Nachahmung finden und dass das Projekt „Erinnern-inklusiv“ auf die eine oder andere Art fortgesetzt werden kann.

Das deutsch-polnische Partnerschaftsprojekt „Erinnern-inklusiv“ organisiert die IBB gGmbH in Dortmund gemeinsam mit dem Museum Stutthof in Polen und dem Verein Schwarzenberg e.V. in Berlin. Das Projekt wird im Rahmen des EU-Programms „Bürger, Gleichberechtigung, Rechte und Werte“ gefördert.

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Eine Übersicht über die Prototypen finden Sie auf dieser Seite.
Den Methodenkoffer finden Sie hier.

Alle Beiträge über das Projekt „Erinnern-inklusiv“ finden Sie hier.