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Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

IBB Dortmund und Geschichtswerkstatt „Leonid Lewin“ Minsk erinnern in Deutschland und Belarus an Befreiung des Todeslagers Osaritschi vor 80 Jahren

IBB Dortmund und Geschichtswerkstatt „Leonid Lewin“ Minsk erinnern in Deutschland und Belarus an Befreiung des Todeslagers Osaritschi vor 80 Jahren

Mit einer Reihe von Veranstaltungen in Deutschland und Belarus erinnerten das IBB Dortmund und die Geschichtswerkstatt „Leonid Lewin“ Minsk an die Befreiung des Todeslagers Osaritschi in Belarus vor 80 Jahren. Hier, etwa 200 km südöstlich von Minsk, verübte die Wehrmacht eines der größten Kriegsverbrechen in Belarus während des Zweiten Weltkriegs.

Ein Blick auf die Sumpflandschaft am Rande des Dorfs Osaritschi. Schwarze stilisierte Figuren von offensichtlich leidenden Kindern und Erwachsenen stecken an verschiedenen Stellen im Boden. Sie symbolisieren dieses Kriegsverbrechen der Wehrmacht 1944 während des Zweiten Weltkriegs.

Stilisierte Figuren im sumpfigen Boden symbolisieren eines der größten Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht 1944.

Im März 1944 deportierten Truppen der 9. Armee der Wehrmacht etwa 50.000 Zivilistinnen und Zivilisten in Lager nahe der Frontlinie beim Dorf Osaritschi. Darunter waren Mütter mit kleinen Kindern, ältere Menschen, Kranke und Menschen mit Behinderungen. Die Soldaten ließen ihre Opfer als „menschliche Schutzschilde“ beim eigenen Rückzug in den Sumpfgebieten zurück. Die erklärte Absicht lautete: „Unnütze Esser“ zu beseitigen. Etwa 9.000 Menschen starben während der Deportationen oder an deren Folgen. Im Westen sind die Verbrechen von Osaritschi immer noch wenig bekannt. In Deutschland wurden sie erstmals 2006 in dem Dokumentarfilm „Ozarichi 1944“ von Prof. Dr. Christoph Rass und Dr. Aliaksandr Dalhouski für die Öffentlichkeit aufgearbeitet. Sie fanden zudem Eingang in die Wanderausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez: Geschichte und Erinnerung“, die inzwischen auch als virtuelle Ausstellung zugänglich ist.

Auf zwei der Blumensträuße am Mahnmal sind die Schriftzüge IBB Dortmund und Geschichtswerkstatt Minsk zu lesen.

Auch die Delegation des IBB Dortmund legte Blumen nieder am Mahnmal.

Katharina von Bremen, stellvertretende Vorsitzende des IBB Dortmund, und Dr. Astrid Sahm, Geschäftsführerin der IBB gGmbH, nahmen am Dienstag, 19. März 2024, an der offiziellen Gedenkveranstaltung in Belarus teil. Begleitet wurden sie von Mitarbeitenden der Geschichtswerkstatt „Leonid Lewin“ Minsk und der NRO „Verständigung“, der zentralen Partnerorganisation der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft in Belarus, sowie zahlreichen Zeitzeugen. Die IBB-Vertreterinnen hatten am Nachmittag außerdem die Gelegenheit, an einem „Dialog der Generationen“ zwischen Zeitzeuginnen und Schülerinnen und Schülern der Mittelschule in Osaritschi teilzunehmen. Dort wurden auch Ausschnitte aus dem Film „Ozarichi 1944“ gezeigt.

„Am Ort so schrecklicher deutscher Verbrechen Überlebenden dieses grausamen Leidens zu begegnen, zerreißt das Herz. Und es ist bedrückend zu wissen, dass der verantwortliche Oberbefehlshaber in Deutschland niemals zur Verantwortung gezogen wurde. Umso wichtiger waren uns aber diese Begegnungen in Belarus, denn es ist unbedingt nötig, dem Eindruck entgegenzuwirken, die NS-Verbrechen würden in Deutschland wieder zunehmend verharmlost und verdrängt“,

sagte Katharina von Bremen.

Bereits am 15. März 2024 hatten Dr. Aliaksandr Dalhouski von der Geschichtswerkstatt „Leonid Lewin“ Minsk und Prof. Dr. Christoph Rass von der Universität Osnabrück im Ratssitzungssaal der Stadt Osnabrück über „Osaritschi 1944 – Ereignis und Erinnerung“ berichtet sowie am 19. März 2024 im Museum Karlshorst in Berlin. Ihre Vorträge waren Teil einer Projektwoche zu kritischer Erinnerungskultur im Kontext von Holocaust und Vernichtungskrieg der Universität Osnabrück, die in Kooperation mit der IBB gGmbH organisiert worden war, und der internationalen Veranstaltungsreihe „Geschichte im Konflikt“ des Museums Karlshorst.

Ein Blick auf eine Steintafel im Wald: Auf dieser Steintafel ist ein historisches Foto zu sehen, das die Leichen der damals schutzlos zurückgelassenen Menschen zeigt.

Historische Fotos zeigen die Ereignisse an diesem Ort vor 80 Jahren. Ein Workshop der Universität Osnabrück macht die grausame Geschichte des Todeslagers Osaritschi in diesen Tagen in einem Blog in englischer und russischer Sprache digital zugänglich. Alle Fotos: Astrid Sahm

Im Rahmen der Projektwoche in Osnabrück fand zudem ein Workshop des Projekts „Mapping the Co-Presence of Violence und Memory in Belarus“ statt. Zivilgesellschaftliche Akteure, Studierende und Historikerinnen und Historiker aus Belarus und Deutschland entwickeln in diesem Projekt gemeinsam digitale Formate der Geschichtsvermittlung. Dabei soll auch ein Blog in englischer und russischer Sprache über den Vernichtungs- und Erinnerungsort Osaritschi entstehen. Das in Kooperation mit dem IBB Dortmund umgesetzte Projekt wird gefördert durch die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft.

Begleitet wurden die Aktivitäten an der Universität Osnabrück durch die Abschlussveranstaltung des Projekts „In Stein gemeißelt?“ und eine Ausstellung des Fotografen Alexander Litin. Er hat die jüdische Geschichte der Region Mogiljow und den Holocaust in Belarus in den Mittelpunkt seines Schaffens gestellt. Die Ausstellung wurde am Mittwoch, 13. März 2024, im Beisein des heute in Israel lebenden Fotografen im Studierendenzentrum der Universität eröffnet.

Weitere Informationen finden Sie auch auf der Website der Universität Osnabrück.

Die Ausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung“ in ihrer digitalen Form finden Sie hier.