Nachrichten

Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

„Inklusion – einfach machen!“: Prototypen sollen im Dezember vorgestellt werden

„Inklusion – einfach machen!“: Prototypen sollen im Dezember vorgestellt werden

Das neue Logo der IBB gGmbH.

In drei Handlungsfeldern sollen spürbare Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen durchgesetzt werden. Bis Mitte Dezember sollen mindestens drei Prototypen beispielhaft zeigen, wie eine bessere gesellschaftliche Teilhabe erreicht werden kann. Der Aktionsplan 2029 ist ein Ergebnis der Zukunftskonferenz im Rahmen des deutsch-ukrainischen Projekts „Inklusion – einfach machen!“ Auf dem „Forum: Rechte von Menschen mit Behinderungen in der Ukraine: Fahrplan für notwendige Veränderungen bis 2029“ hatten 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer vom 1. bis 4. Oktober 2024 in Lwiw intensiv an diesem Aktionsplan gearbeitet.

Unser Foto zeigt eine in Handschrift gestaltete große Mindmap auf einer Plakatwand. Aufgelistet sind Tendenzen in der aktuellen Debatte um Inklusion in der Ukraine.

Eine große Mindmap haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemeinsam erarbeitet. Ausgehend vom Stammwort „Tendenzen“ in der Mitte entspringen mehr als 60 Zweige, die die Trends in der aktuellen Inklusionsdebatte beschreiben. Foto: IBB gGmbH – Constanze Stoll

„Auch in Zeiten des Krieges dürfen wir die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention nicht aus den Augen verlieren“,

hatte Constanze Stoll, Referentin der IBB gGmbH Dortmund, in ihren Begrüßungsworten gesagt. Die Partnerorganisationen in der Ukraine, die NRO „Fight for Right“ und die NRO „Democratic Initiatives Incubator“, hatten die Einladung überwiegend via Social Media verbreitet und waren auf großes Interesse gestoßen. Die insgesamt 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit und ohne Behinderungen kamen aus zwölf Regionen der Ukraine und als Vertreter:innen von 20 Organisationen, die sich für die Rechte von Menschen mit Behinderungen einsetzen. Als Tagungsraum diente ein Seminarraum im Untergeschoss des Hotels, wo sich auch Schutzräume befinden. Um dem Anspruch, ein barrierefreies Hotel zu sein, gerecht zu werden, wurde in den Sommermonaten mit dem Bau einer Rampe begonnen, die glücklicherweise just zum Beginn des Forums fertiggestellt wurde.

„Der Krieg ist in Lwiw nur mittelbar gegenwärtig, es gibt wenige Alarme und nur teilweise sichtbare Schäden. Es lebt sich gut in Lwiw, wie Iwan berichtete, der uns empfing und ins Hotel begleitete. Man sieht dennoch auch kriegsversehrte Männer mit Prothesen.

Der Krieg schafft viele Minenopfer, es gibt unzählige andere Verletzungen an Leib und Seele, die nicht nur die Kämpfenden an der Front zu Behinderten werden lässt.

Auch Lwiw wie alle anderen ukrainischen Städte steht vor gewaltigen Umbaumaßnahmen zugunsten von Barrierefreiheit bei den Verkehrswegen, Bahnhöfen und Geschäften. Das Stadtbild wird sich möglicherweise schnell ändern. Für uns war es jedenfalls wirklich wichtig, dass der behindertengerechte Zugang noch vor unserer Ankunft realisiert werden konnte“,

berichtet Constanze Stoll und zeigt sich beeindruckt von der Aufgeschlossenheit und pragmatischen Unterstützung der Hoteladministration.

Die Methodik einer Zukunftskonferenz hatte das aus zwölf Personen bestehende Steering Comittee bereits im Vorfeld in sechs Online-Meetings besprochen. Das besondere Format fördert Beteiligung, Ermutigung, Eigenverantwortung, projektorientiertes Lernen, Motivation und Vertrauen in die Kraft der Gruppe oder Organisation. Und so ging es an den vier Tagen in Lwiw intensiv um die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, um das bisher Erreichte, aktuelle Erschwernisse und schließlich um konkrete Verbesserungen, die eine gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen. Sechs Gebärdensprach-Dolmetscher:innen und zwei Lautsprache-Dolmetscher:innen unterstützten einen ebenso lebhaften wie intensiven Gedankenaustausch.

Linus Bade, Inklusions-Aktivist aus Deutschland, erläuterte das System der persönlichen Assistenz, das Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht.

Die Ukraine hat ebenso wie Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) 2009 ratifiziert. Zum 20. Jahrestag im Jahr 2029 wünschen sich die unterschiedlichen Inklusions-Aktivist:innen, dass auch einige der erarbeiteten Ziele erreicht sein werden, für die sie nun weitere konkrete Aktionspläne entwickeln. Und dabei geht es gar nicht so sehr um den Krieg und den Artikel 11 der UN-BRK, der den besonderen Schutz von Menschen in Krisen und Konflikten formuliert. Auch vor dem Krieg waren für behinderte Menschen öffentliche Verkehrsmittel wie die U-Bahn oder die Bahnhöfe mit langen Treppen und ohne Fahrstühle nicht barrierefrei zugänglich. Bodenleitsysteme für Blinde, Rampen für Rollstuhlfahrende und Informationen in Einfacher Sprache sind noch eine Seltenheit. Der Krieg hat die Situation von Menschen mit Behinderungen aktuell dramatisch verschlechtert. Schutzräume befinden sie meistens im Untergeschoss von Gebäuden oder in der U-Bahn und sind kaum erreichbar. Warnhinweise können von Blinden und Tauben nicht gesehen oder gehört werden. Dabei ist die Gefahr, durch Raketen- und Drohnenangriff zu Schaden zu kommen, jeden Tag gegeben.

In der Ukraine gibt es zwar Unterstützung und Hilfsmittel, doch der Weg zur Bewilligung ist wie in Deutschland häufig voller undurchschaubarer Bürokratie und daher lang und steinig. Ein Teilnehmer hatte einen dicken Aktenordner mitgebracht, der den Schriftverkehr für eine einzige Reha-Maßnahme enthielt.

Die von den Teilnehmenden auf dem Forum entwickelten sieben Ideen für prototypische Maßnahmen zum Abbau von Barrieren und zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention lassen sich drei Handlungsfeldern zuordnen. Dazu werden die Teilnehmenden nun bis zum 20. Oktober Ideen für Prototypen entwickeln und zur Förderung im Rahmen des Projekts einreichen.

Als verbesserungswürdig beschrieb die Gruppe am Ende folgende Handlungsfelder:

  1. Medien, Informationsvermittlung  & Kommunikation: Diskriminierungsfreie und gleichberechtigte Darstellung von Menschen mit Behinderungen in Medien und Informationen in zugänglichen Formaten
  2. Wahlgesetzgebung, Arbeitsmarkt & Sozialwesen: Reformen im Wahlsystem, auf dem Arbeitsmarkt und bei den sozialen Dienstleistungen für ein unabhängiges und teilhabeorientiertes Leben behinderter Menschen
  3. Bildungswesen & Kultur: Förderung von Gehörlosenkultur in Bildungseinrichtungen auf allen Ebenen, barrierefreie Kulturstätten und Sehenswürdigkeiten.

Einige Ideen konnten Teilnehmende zum Ende der Zukunftskonferenz konkreter ausformulieren: So könnte eine Kulturinstitution, beispielsweise ein Museum in der Region Ternopil, Ziel einer Exkursion werden, um dort Barrieren zu identifizieren und modellhaft Prozesse zum Abbau von Barrieren und der Schaffung von Teilhabemöglichkeiten zu beschreiben, die später auch von Aktivist:innen für andere Orte übernommen werden können.

Die Prototypen und Ideen werden auf dem vorerst letzten gemeinsamen Online-Meeting vorgestellt Mitte Dezember.

Hier finden Sie den Link zur Anmeldung.

Ein (nicht ganz vollständiges) Gruppenbild der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Zukunftskonferenz in Lviv.

Den Bericht von Linus Bade, der als Inklusions-Aktivist aus Deutschland am Forum teilgenommen hat, finden Sie hier. 

Alle Fotos (soweit nicht anders gekennzeichnet): IBB gGmbH – Roman Shiyan

Diese Logos zeigen, dass das Projekt vom Auswärtigen Amt gefördert wird als Civil Society Cooperation. In der Reihe darunter sind die Logos der IBB gGmbH Dortmund und der ukrainischen NGO "Fight for Right" und "Democratic initiatives incubator" zu sehen.Das viertägige Forum war Teil des Projekts „Inklusion – einfach machen!“. Es wurde organisiert vom Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk gGmbH in Kooperation mit der NRO „Inkubator demokratischer Initiativen“ (Ukraine) und der NRO „Fight for Right“ (Ukraine). Gefördert wird das Projekt durch Mittel des Auswärtigen Amtes aus dem Programm „Ausbau der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in den Ländern der Östlichen Partnerschaft“.


Weitere Informationen über dieses Projekt finden Sie auch hier:

Kickoff-Meeting zum neuen Projekt „Inklusion – einfach machen“. 

„Inklusion – einfach machen!“: Viertägige Zukunftskonferenz beginnt am Dienstag, 1. Oktober 2024, in der Ukraine 

#civilsocietycooperation