Nachrichten

Internationales Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund

Ausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung“ zum internationalen Holocaust-Gedenktag in Frankfurt eröffnet

Ausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung“ zum internationalen Holocaust-Gedenktag in Frankfurt eröffnet

Zum Internationalen Holocaust- Gedenktag eröffnete Dr. Evelyn Brockhoff, Leitende Direktorin des Instituts für Stadtgeschichte (ISG), die Wanderausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung“ am Freitag, 25. Januar 2019, in Frankfurt. Das Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main zeigt die Ausstellung bis zum 17. März im Kreuzgang des Karmeliterklosters, Münzgasse 9.

Dr. Evelyn Brockhoff, Leitnede Direktorin des ISG Frankfurt.

Für den nun 20. Ausstellungsort hatte Renate Hebauf die Ausstellung ergänzt um beispielhafte Biografien von Dr. Albert Katzenellenbogen und Toni Caro, zwei Opfern aus Frankfurt .Gezeigt wird zudem eine Täterbiografie des Frankfurter SS-Hauptsturmführer Arthur Harder, der an den Morden in Belarus beteiligt war. Für Dr. Evelyn Brockhoff (Foto links) stand angesichts der lokalen Ergänzungen daher außer Frage, „dass wir der Ausstellung in unserem Haus Platz geben.

Denn als Institution mit stadtgeschichtlichem Fokus sind wir dem Frankfurter Blick verpflichtet.“

Unter den rund 100 Besuchern der Ausstellungseröffnung begrüßte sie daher besonders auch die Urenkelin eines der erwähnten Frankfurter Opfer, Dr. Albert Katzenellenbogen.

Unser Foto zeigt Dr. Ina Hartwig, Dezernentin für Kultur und Wissenschaft, bei ihrer Ansprache zur Eröffnung der Wanderausstellung in Frankfurt: Sie wünscht der Ausstellung viele junge Besucherinnen und Besucher. Foto: Carla Grimm

Dr. Ina Hartwig, Dezernentin für Kultur und Wissenschaft, wünscht der Ausstellung viele junge Besucherinnen und Besucher. Foto: Carla Grimm

Rund 1000 Menschen waren im November 1941 aus Frankfurt nach Minsk deportiert worden.

„Trotz des großen zeitlichen Abstands zu den Verbrechen ist die Ausstellung hoch aktuell“,

sagte Dr. Ina Hartwig, Dezernentin für Kultur und Wissenschaft der Stadt Frankfurt. Sie zitierte die 2018 vorgestellte MEMO-Studie der Universität Bielefeld zum Umgang der Deutschen mit der nationalsozialistischen Vergangenheit. Der Studie zufolge gaben mehr als zwei Drittel von rund 1000 Befragten an, dass unter ihren Eltern und Großeltern keine Täter waren. Und fast ein Fünftel der Befragten zeigte sich überzeugt, dass die eigenen Vorfahren seinerzeit ganz sicher Juden geholfen hatten. Die Deutschen seien bei den meisten NS-Verbrechen Mittäter und Mitwisser gewesen. Die Studie zeige, „dass und wo wir gefordert sind. Unsere Erinnerungskultur darf nicht zu formelhaften Ritualen werden, sondern muss neue Wege finden um die Geschichte zu vermitteln und jeder Relativierung entschieden entgegentreten“, forderte Dr. Hartwig und wünschte der Ausstellung vor allem viele junge Besucher.

Dr. Astrid Sahm, Geschäftsführerin der IBB gGmbH Dortmund, beschrieb die Ausstellung "Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung" als Teil eines größeren Engagements.

Dr. Astrid Sahm, Geschäftsführerin der IBB gGmbH Dortmund, beschrieb die Ausstellung als Teil eines größeren Engagements.

„Die Ausstellung steht nicht für sich, sondern sie ist Teil eines größeren Engagements und sie möchte weitere Initiativen anstoßen, damit Trostenez ein gemeinsamer europäischer Lernort wird “, machte Dr. Astrid Sahm, Geschäftsführerin der IBB gGmbH Dortmund, deutlich. Als Beispiel nannte sie den 2017 von der Minsker Geschichtswerkstatt durchgeführten Geschichtswettbewerb, bei dem mehr als 100 Schülerinnen und Schüler sowie Studierende interessante neue Erkenntnisse zutage gefördert hatten. Denn über die Opfer aus Belarus und weiteren Ländern der ehemaligen Sowjetunion ist bisher nur wenig bekannt. Von den meisten in Trostenez ermordeten einheimischen Opfern existieren – im Unterschied zu den aus dem damaligen Deutschen Reich Deportierten – nicht einmal Namenslisten. An ihre Zuhörerinnen und Zuhörer richtete Astrid Sahm zudem den Hinweis auf das Programm „Jugend erinnert“, mit dem nun auch Gedenkstättenfahrten nach Trostenez gefördert werden können.

„Wir hoffen darauf, dass die schrecklichen Verbindungen, die die Deportationen geschaffen haben, heute genutzt werden, um Brücken des Austausches und der Verständigung für ein friedliches Europa zu schaffen.“

Das Foto zeigt Karl Starzacher, Vorsitzender des Landesverbandes Hessen im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. bei seiner Ansprache. Er unterstrich die Bedeutung des Lernortes Trostenez für die Versöhnung.

Karl Starzacher, Vorsitzender des Landesverbandes Hessen im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., unterstrich die Bedeutung des Lernortes Malyj Trostenez für die Versöhnung.

Karl Starzacher, Vorsitzender des Landesverbandes Hessen im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, richtete seinen Dank an die Initiatoren der Ausstellung. „Wir sind davon überzeugt, dass Trostenez ein weiterer wichtiger Baustein für eine gemeinsame europäische Erinnerungskultur wird.“ Die Erinnerung an das größte Vernichtungslager auf ehemals sowjetischem Boden sei heute – zitierte er Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier – „ein weiterer wichtiger Brückenpfeiler des Friedens, der Versöhnung aber auch ganz besonders der Erinnerung an den Massenmord an jüdischen Menschen.“

Dr. Sybille Steinbacher, Leiterin des Fritz-Bauer-Instituts Frankfurt, bedankte sich insbesondere für die Gelegenheit zum Austausch mit Kolleginnen und Kollegen in Frankfurt und Belarus über Formen der Erinnerungskultur.

Die Historikerin Dr. Petra Rentrop-Koch, die für ihre Dissertation zur Geschichte des Ghettos Minsk und zur Vernichtungsstätte Malyj Trostenez geforscht hatte, schilderte die menschenverachtende Maschinerie, die die deutschen Besatzer in den Jahren 1942 bis 1944 auf dem mehrere Hektar großen Gelände vor Minsk aufgebaut hatten, mit wissenschaftlicher Genauigkeit. Wie auf dem abgelegenen Waldstück erste Mordgruben ausgehoben wurden. Wie Juden zunächst reihenweise per Genickschuss, später zu hunderten in eigens für diesen Zweck umgebauten Gaswagen ermordet wurden – mit Rücksicht auf die Nerven der Todesschützen. Dass die Deportationszüge unterwegs angehalten wurden – damit die Sonntagsruhe der deutschen Besatzer in Belarus nicht gestört wurde.

Sie zitierte auch aus dem zuversichtlichen, letzten Lebenszeichen des 19-jährigen Fotografen Oskar Hoffmann aus Köln. Er hatte – kurz nach seiner Ankunft in Minsk am 24. Juli 1942 – den begleitenden Schutzpolizisten eine Postkarte an seinen Arbeitgeber überreicht, die ihren Empfänger erreichte und als letzte Spur erhalten ist. Er schrieb:

„Man vermutet, dass wir in der näheren Umgebung von Minsk in der Landwirtschaft eingesetzt werden. (…) Wie ich gerade höre, besteht eine gewisse Möglichkeit, dass wir in unseren Berufen eingesetzt werden können.  Wenn es Ihnen möglich ist, senden Sie mir bitte mein Zeugnis, da dies von Wert sein soll.“

Er hatte offensichtlich auf eine Zukunft in Minsk gehofft – und seinen 20. Geburtstag nicht mehr erlebt.

Die Historikerin Petra Rentrop-Koch berichtete vor mehr als 100 Zuhörerinnen und Zuhörern detailreich über die Ereignisse in den Jahren 1942 bis 1944 am Vernichtungsort Malyj Trostenez.

Die Historikerin Petra Rentrop-Koch berichtete vor mehr als 100 Zuhörerinnen und Zuhörern detailreich über die Ereignisse in den Jahren 1942 bis 1944 am Vernichtungsort Malyj Trostenez.

Petra Rentrop-Koch verwies auch auf die großen Lücken in den historischen Dokumenten. Die Namen der Deportierten aus dem Deutschen Reich seien penibel in Listen erfasst worden. „Von 16.000 Deportierten haben nach gegenwärtigem Kenntnisstand nur 17 überlebt.“ Die Gesamtzahl der Opfer lässt sich aufgrund der von den Tätern gezielt vernichteten Spuren nur schätzen und liegt bei mindestens 60.000.

„In der Gesamtgeschichte des Völkermords an den Juden Europas versinnbildlicht Malyj Trostenez meiner Meinung nach sehr deutlich die Übergangsphase zur industriellen Massenvernichtung von der Shoa durch Kugeln, wie die Massenerschießung genannt wurde, bis zu den stationären Gaskammern von Bełżec, Treblinka, Sobibór und Auschwitz“,

schloss sie ihren Vortrag.

Im Anschluss an die Grußworte und Vorträge hatte erstmals das Frankfurter Publikum Gelegenheit, die Ausstellung zu besichtigen.

Im Anschluss an die Grußworte und Vorträge hatte erstmals das Frankfurter Publikum Gelegenheit, die Ausstellung eingehend zu betrachten. Alle Fotos auf dieser Seite: Carla Grimm.

Die Ausstellung in Frankfurt ist eine Kooperation des Instituts für Stadtgeschichte, des Fritz Bauer Instituts sowie des Pädagogischen Zentrums des Fritz Bauer Instituts und des Jüdischen Museums.

Das Begleitprogramm zur Ausstellung finden Sie hier.

Alle Informationen zur Ausstellung in Frankfurt finden Sie hier.

Weitere Informationen über das Engagement der IBB gGmbH für den europäischen Lernort Trostenez finden Sie hier.