Fast auf den Tag genau 77 Jahre nach der Deportation Düsseldorfer Juden nach Minsk eröffnete Landtagspräsident André Kuper am Dienstag, 13. November 2018, gemeinsam mit Vizepräsident Oliver Keymis vor rund 80 Gästen und Ehrengästen die Wanderausstellung „Vernichtungsort Maly“ in der Wandelhalle des Landtags. Bis zum 2. Dezember ist sie dort an den Wochenenden während der Öffnungszeiten von 11 bis 17 Uhr ohne Anmeldung frei zugänglich.
„Auch fast 80 Jahre später erschrecken wir mit dem Entdecken von Malyj Trostenez über einen Krieg, der von den Deutschen als Vernichtungskrieg geplant, befohlen und ausgeführt worden ist“,
sagte Kuper.„Belarus musste erleben, was das bedeutet. Mehr als 600 Dörfer wurden ausgelöscht.“ Die zweisprachige Ausstellung soll die Geschichte des Vernichtungsortes Malyj Trostenez nun bekannt machen. Zwischen 50.000 und 206.500 Menschen wurden am größten Vernichtungsort auf damals sowjetischem Boden ermordet. Mit dem Wissen über die Opfer könne aus dem Schreckensort Maly Trostenez ein Ort des gemeinsamen Erinnerns und Lernens für die Zukunft werden, sagte Kuper.
Matthias C. Tümpel, Vorsitzender des Internationalen Bildungs- und Begegnungswerks, das die Ausstellung initiiert hat, erinnerte an die tragische Verbindung von Nordrhein-Westfalen und Belarus und an die Deportationen aus Düsseldorf am 10. November 1941:
„Vor 77 Jahren fuhr ein Zug in Richtung Minsk und diejenigen, die darin saßen, hatten dieses Ziel nicht gewählt.“
Fast 1000 Menschen aus Düsseldorf, Essen, Wuppertal und umliegenden Städten waren auf dem Güterbahnhof in Düsseldorf-Derendorf in Viehwaggons verladen und auf die vier Tage dauernde Reise nach Minsk in den Tod geschickt worden. Nur fünf von ihnen überlebten.
Der örtliche Trägerkreis hat die Ausstellung um zwei Stelen ergänzt, die an die verfolgten jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Düsseldorf erinnern: Ella und Arthur Jacoby, Helene Rosenbaum, Lina Sass, Hede und David Eulau und die Ärztin Hedwig Jung-Danielewicz stehen stellvertretend für die vielen Opfer, die 1941 ins Ghetto Minsk deportiert und später ermordet wurden. Fotos, Protokolle und handgeschriebene Briefe vermitteln einen Eindruck von ihren Lebenswegen und Hoffnungen.
Doch während viele Namen der aus Deutschland, Tschechien und Österreich Deportierten bekannt sind – weil die Nationalsozialisten akribisch Listen geführt hatten – weiß man über die Opfer aus der ehemaligen Sowjetunion nur sehr wenig. Auf diese Diskrepanz wies Dr. Astrid Sahm, Geschäftsführerin der IBB gGmbH, in ihrer Ansprache hin.
„Wenn wir die Namen der Opfer nicht dem Vergessen entreißen, töten wir sie ein zweites Mal“,
betonte sie in Anlehnung an Walter Benjamin. Die Ausstellung schildere sieben Biographien beispielhaft für die verschiedenen Opfergruppen. Um weitere Lebensgeschichten zu sichern, hatte das IBB in Belarus bereits einen Geschichtswettbewerb initiiert. Mehr als 100 Jugendliche hatten sich beteiligt und teilweise auf Dachböden interessante historische Dokumente entdeckt.
Dr. Astrid Sahm lud Interessierte ein, das Begleitprogramm des örtlichen Trägerkreises wahrzunehmen, der unter anderem Führungen für Schülergruppen anbietet. Zudem warb sie für Gedenkstättenfahrten zum neuen europäischen Lernort Trostenez. Das Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Senioren hat den Erinnerungsort Trostenez als förderfähiges Ziel von Gedenkstättenfahrten anerkannt. An diesem Ort könne die Arbeit an einer gemeinsamen Zukunft in Europa anknüpfen, hatte Matthias C. Tümpel gesagt.
Raphael Evers, Oberrabbiner der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, sprach zum Abschluss der Eröffnungsveranstaltung das Erinnerungsgebet.
Die Ausstellung im Düsseldorfer Landtag erfolgt in Kooperation zwischen dem IBB Dortmund, der Heinrich-Heine-Universität, der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus, der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf und dem Erinnerungsort Alter Schlachthof Düsseldorf, Hochschule Düsseldorf.
Das Begleitprogramm zur Ausstellung finden Sie hier.
Die Träger der Ausstellung sind:
- das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk gGmbH (IBB Dortmund),
- die Internationale Bildungs- und Begegnungsstätte „ Johannes Rau“ Minsk (IBB Minsk) und
- die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas.
Die Ausstellung wird gefördert durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. und das Auswärtige Amt.
Gestaltet wurde die Ausstellung von der Berliner Agentur LINKSBÜNDIG.
Die zweisprachige Wanderausstellung (deutsch/ russisch) wurde am 8. November 2016 erstmals in Hamburg eröffnet und wird seitdem zeitgleich in Belarus und Deutschland gezeigt.
Ein Youtube -Video der Ausstellungs-Vernissage in Hamburg finden Sie hier.
Der Katalog zur Ausstellung kann gegen eine Schutzgebühr in Höhe von 10 Euro hier bestellt werden.
Weitere Informationen über die Gedenkstätte Trostenez finden Sie hier.